5000 Krefelder müssen mit Hartz IV aufstocken: Viel Arbeit für wenig Geld

Mehr als 5000 Menschen in Krefeld können von ihrem Arbeitslohn allein nicht leben.

Krefeld. Ihren Job hat Kathrin B. (Name von der Redaktion geändert) gerne gemacht. Zwei Jahre arbeitete die 40-jährige Krefelderin als Briefträgerin bei einem holländischen Briefdienstleister. "Auch wenn ich oft mehr als neun Stunden unterwegs war, bin ich gerne zur Arbeit gegangen."

Beim Blick auf ihre Gehaltsabrechnung trübte sich jedoch ihre gute Laune: Trotz der vielen Arbeitsstunden kamen selten mehr als 550 Euro dabei heraus. Zu wenig zum Leben, wenn man davon für Miete, Heizkosten und Lebensmittel zahlen muss.

Deshalb musste sie zusätzlich eine Aufstockung des Bruttolohns durch den Staat auf rund 850 Euro beantragen. Ein Schritt, der ihr schwergefallen ist: "Ich hatte das Gefühl, betteln gehen zu müssen." Wer acht Stunden am Tag arbeite, müsse doch von seinem Lohn leben können.

Kathrin B. ist kein Einzelfall. Laut Bundesagentur für Arbeit waren im September 2008 5098 Menschen in Krefeld gemeldet, die trotz eines Jobs ihren Lohn mit Hartz IV aufstocken müssen. Das sind 1500 mehr als noch im Januar 2007. Über ein Fünftel davon, genau 1141 Beschäftigte, gehen einer Vollzeitbeschäftigung nach, ohne davon leben zu können. Das sind 353 mehr als noch im Januar 2007.

Für Ralf Köpke, den Vorsitzenden des Krefelder Kreisverbands des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), ist das ein unhaltbarer Zustand. Nach Meinung des DGB belegt die Zunahme der Aufstocker, dass einige Unternehmen die Löhne drücken, weil es Hartz IV als Zuzahlung gibt. Für Köpke gibt es nur eine Lösung: "Wir fordern einen flächendeckenden Mindestlohn von 7,50 Euro als unterste Haltelinie gegen Lohndumping."

Eine Sichtweise, die Hans-Günter Fix, Hauptgeschäftsführer der Unternehmerschaft Niederrhein, nicht teilt. Wenn die Lohnkosten höher lägen als die Produktivität, schaffe ein Mindestlohn zusätzliche Probleme, zumal die Firmen die gestiegenen Lohnkosten nicht auf den Preis umlegen könnten, da sonst die Kunden ausblieben.

Unterstützung erhält Köpke von Thomas Schmitz, Obermeister der Gebäudereiniger-Innung in Krefeld. Diese hat seit Juli 2007 einen Mindestlohn, der derzeit bei 8,15 Euro liegt. Für ihn, der selbst einen mittelständischen Betrieb leitet, ist der Mindestlohn kein Problem.

Schlimmer sei, dass viele Konkurenten den Mindestlohn nicht einhielten und stattdessen Preise machten, die er nicht mitgehen könne: "Wenn ich Leute für fünf Euro beschäftigen muss, mache ich den Laden lieber dicht."

Heribert Schäfer, Obermeister der Bau-Innung, sieht die Sache nüchterner. Auch am Bau gibt es einen Mindestlohn zwischen 10,40 bis 12,50 Euro. Er sagt: "Der Mindestlohn ist nicht entscheidend. Wer Fachkräfte haben will, muss sowieso gut zahlen."

Kathrin B. ist nicht in dieser komfortablen Lage. Sie ist derzeit arbeitslos, lebt von 472 Euro und wünscht sich ihren alten Job zurück: "Auch wenn ich nicht viel verdient habe, würde ich das gleiche Angebot wieder annehmen."

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