Bürgermonitor Wahl wegen Barrieren verpasst

Schiefbahn. · Magret und Heinz Schmitz waren zum ersten Mal in ihrem Leben nicht wählen. Für den schwerbehinderten 82-jährigen Schiefbahner gab es keinen Behindertenparkplatz, um das Wahllokal zu erreichen.

 Heinz Schmitz zeigt seinen Schwerbehindertenausweis und seine Wahlbenachrichtigung zur Kommunalwahl.

Heinz Schmitz zeigt seinen Schwerbehindertenausweis und seine Wahlbenachrichtigung zur Kommunalwahl.

Foto: Norbert Prümen

Der Wahlbenachrichtigungsschein von Heinz Schmitz liegt neben dem Schwerbehindertenausweis des Schiefbahners auf dem Wohnzimmertisch. „Ich habe in all den Jahren noch nie eine Wahl verpasst. Ich bin immer persönlich wählen gegangen. Wir haben sogar unsere Urlaube in den Wahljahren entsprechend geplant, um nicht auf die Briefvariante zurückgreifen zu müssen“, sagt Heinz Schmitz. Das sollte in diesem Jahr bei der Kommunalwahl genauso sein. Aber es kam anders.

Die Wahlbenachrichtigungen für Heinz Schmitz und seine Frau Magret gingen per Post von der Stadt Willich ein. Wie immer war die Astrid-Lindgren-Grundschule der Ort, wo sie ihre Stimme in dem dort errichteten Wahllokal abgeben sollten. Der Sonntag der Kommunalwahl kam, und das Ehepaar setzte sich ins Auto, um die wenigen Hundert Meter zur benachbarten Grundschule zu fahren. Ohne Auto geht es nicht, denn der 82-Jährige leidet an der nicht heilbaren Lungenerkrankung COPD. Er ist dadurch schwerbehindert und auf das Auto angewiesen. Der Schiefbahner schafft selbst solche Kurzstrecken nicht mehr zu Fuß – die Atemnot ist zu groß.

Vor der Grundschule war dann das Erstaunen groß: Der Schulhof, der ansonsten als Parkplatz angefahren werden konnte, war für Autos gesperrt. Lediglich ein Flügel des Schultores war geöffnet. Flatterband verkleinerte die geöffnet Flügelseite zusätzlich. „Auf dem Schulhof selber standen einige Autos direkt vor dem Gebäude. Wir vermuten, dass es die Fahrzeuge der Wahlhelfer waren“, sagt Heinz Schmitz. Das Ehepaar war mehr als erstaunt. In all den Jahren war der Schulhof noch nie für Autos gesperrt gewesen. Es gab auch keine Hinweise, dass irgendwo Behindertenparkplätze ausgewiesen worden waren. „Es war auch niemand vor Ort, den wir hätten fragen können“, sagt Magret Schmitz.

Das Ehepaar versuchte, in unmittelbarer Nähe der Schule einen Parkplatz zu bekommen, was sich allerdings als aussichtsloses Unterfangen darstellte. Dort an einem Sonntag einen Parkplatz zu finden, grenzt an ein Wunder. Sie fanden keinen Parkplatz und fuhren unverrichteter Dinge wieder nach Hause.

„Wenn ich gewusst hätte, dass der Parkplatz nicht zugänglich ist, hätte ich mich zur Briefwahl entschlossen. So aber war es die erste Wahl, an der ich in 82 Jahren nicht teilgenommen habe. Auch meine Frau hat nicht gewählt“, berichtet Heinz Schmitz. Der Senior kann nicht verstehen, dass es nicht einmal ausgewiesene Behindertenparkplätze gab, denn nur weil man ein Handicap habe, heiße dies nicht, dass man zur Briefwahl verpflichtet sei.

Dass der Schulhof zum ersten Mal nicht frei zugänglich war, lag laut Aussage der Stadt Willich daran, dass es in den vergangenen Jahren zu einem wilden Parken kam und die Rettungswege nicht mehr frei waren. „Daher kam es in diesem Jahr erstmalig zu einer Absperrung der Schulhoffläche“, teilt Anja Lambertz-Müller von der Stadt Willich mit. Eine entsprechende Ankündigung gab es allerdings nicht. Lambertz-Müller bedauert im Namen der Stadt das Vorkommnis. Dass für Behindertenparkplätze vor den Wahllokalen gesorgt werden muss, steht für sie außer Frage. „Für die im nächsten Jahr anstehende Bundestagswahl werden wir eine Lösung finden“, verspricht sie.

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