Kommentar Ein Jahr nach der Wahl: Das brutale Regime in Belarus

Meinung · Als am 9. August 2020 die Präsidentschaftswahlen in Belarus endeten, gab es noch viel Hoffnung. Hoffnung darauf, dass mit friedlichen Massenprotesten Diktator Alexander Lukaschenko doch noch zu stürzen ist, obwohl er sich erneut zum Wahlsieger erklärt hatte.

 Ein Jahr nach der Wahl ist Machthaber trotz Niederlage immer noch im Amt.

Ein Jahr nach der Wahl ist Machthaber trotz Niederlage immer noch im Amt.

Foto: dpa/Nikolay Petrov

Heute, ein Jahr später, ist von dieser Hoffnung nicht viel geblieben. Sie ist der Angst gewichen und dem Entsetzen über die Brutalität eines Regimes im Europa des 21. Jahrhunderts. Schon im Vorfeld der manipulierten Wahl hatte Lukaschenko fünf Gegenkandidaten ausgeschaltet, indem man sie verhaftete oder Strafverfahren gegen sie eröffnete. Dennoch schien es, als könnte die Sache noch kippen. Swetlana Tichanowskaja, die einzige zugelassene Kontrahentin Lukaschenkos, wurde im ganzen Land gefeiert. Hunderttausende forderten ihre Einsetzung als rechtmäßige Präsidentin. Doch Diktatoren weichen selten ohne Gewalt, das zeigt die Geschichte.

Lukaschenko zieht inzwischen nahezu alle Register totalitärer Herrschaft. Mit einem „Genozid am eigenen Volk“, wie es die belarussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch nennt, hat er den Widerstand zerschlagen. Und während aus den Gefängnissen Schreie von Menschen dringen, laufen in Lukaschenkos Propagandafernsehen weiter Werbespots für Schokoriegel von Mars, Nestlé & Co. Wenn es um Gewinne geht, ist es nicht weit her mit dem Unrechtsbewusstsein westlicher Konzerne. 

Die EU hat inzwischen zwar ihre Sanktionen verschärft, aber von einer spürbaren Wirkung kann bislang keine Rede sein. Im Gegenteil, Lukaschenko schlägt zurück, indem er massenhaft Flüchtlinge aus Krisengebieten über die Grenze nach Litauen und damit in die EU reisen lässt. Wirtschaftliche Hilfe erhält er aus Russland. Und solange Moskau hilft, ist Lukaschenko nicht kleinzukriegen. Seit 27 Jahren an der Macht, hängt sein Überleben jetzt vom Wohlwollen des Kreml ab, wie zu Zeiten der Sowjetunion.

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