Flickenteppich bei den Kita-Kosten „Soziale Schieflage“ bei den Kita-Beiträgen

Düsseldorf · Die Antwort der Landesregierung auf eine SPD-Anfrage zeigt: Der Wohnort ist oft entscheidender als das Einkommen.

1,8 Milliarden Euro an Landesmitteln will die SPD zusätzlich in die Kita-Finanzierung stecken, um Beiträge abzuschaffen und die Qualität zu steigern.

1,8 Milliarden Euro an Landesmitteln will die SPD zusätzlich in die Kita-Finanzierung stecken, um Beiträge abzuschaffen und die Qualität zu steigern.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Dass die Gebührenlandschaft für den Besuch von Kindertagesstätten in NRW ein Flickenteppich ist, war bekannt. Wie genau er aussieht, hat jetzt die SPD-Landtagsfraktion detailliert ermittelt – durch eine große Anfrage, die vom 22. Februar datierte. Knapp fünf Monate hat sich das Kinder- und Familienministerium von Joachim Stamp (FDP) mit der Beantwortung Zeit gelassen, dann aber im Juli eine 380-seitige Antwort gegeben. Das ausgiebige Zahlenmaterial ist von der SPD inzwischen ausgewertet worden.

Im Kern dokumentiert es, wie sich die Kita-Gebühren zersplittert haben, seit das Kinderbildungsgesetz von 2006 die landesweit einheitlichen Gebührensätze abgeschafft hat (unter dem damaligen Familienminister Armin Laschet, wie die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Regina Kopp-Herr nicht vergisst zu erwähnen). Seither obliegt die Festsetzung den Kommunen oder Kreisen – mit der Konsequenz, dass die 186 Jugendämter des Landes die Beiträge in teils vollkommen unterschiedlicher Art und Weise regeln.

In Münster muss erst ab 37 001 Euro gezahlt werden

Das macht sich laut SPD schon beim Beitragseinstieg gravierend bemerkbar. Er legt das Jahreseinkommen fest, ab dem überhaupt Elternbeiträge fällig sind. Die Spanne reicht von null Euro in Elsdorf und Kevelaer (wo also im Kern also erst einmal alle Eltern zahlen müssen) bis zu 37 001 Euro in Münster. Der Durchschnitt in Nordrhein-Westfalen liegt bei 19 000 Euro.

Auch die Obergrenze variiert deutlich: In Hamm zahlt man bereits ab einem Jahresbrutto von 61 000 Euro den Höchstsatz (der freilig auch von Kommune zu Kommune variiert), in Mülheim an der Ruhr erst ab 175 000 Euro. Im Schnitt wird in NRW ab 102 000 Euro der Höchstsatz erreicht.

Die Beispielrechnung, die die SPD aufmacht: Mit einem mittleren Einkommen von 43 050 Euro im Jahr kostet ein Vollzeit-Kitaplatz eines unter zweijährigen Kindes in Wermelskirchen, Siegen oder Schwerte unter 1000 Euro pro Jahr, in 14 Kommunen des Landes dagegen mehr als 3000 Euro und in Lage sogar 4008 Euro. Wer 25 000 Euro verdient, muss in zwölf Kommunen, darunter Aachen, Düsseldorf, Münster, Ratingen und Wermelskirchen, nichts für die Kita zahlen, in vier anderen Städten und Gemeinden aber schon mehr als 2000 Euro im Jahr. Die SPD nennt das eine „extreme soziale Schieflage“.

Dabei, so Dennis Maelzer, familienpolitischer Sprecher der SPD, sei es keineswegs so, dass es dort die bessere Betreuungsqualität gebe, wo die Gebühren besonders hoch seien. Oft sei das Gegenteil der Fall. Und in Regionen wie dem Ruhrgebiet, wo es weniger hohe Einkommen gebe, müssten die Beiträge schon im unteren Bereich höher liegen. „Die Jugendämter können es sich auch nicht leisten, weniger Gebühren zu nehmen.“ In finanzschwachen Kommunen interveniere andernfalls die Haushaltsaufsicht. Aber Lage habe beispielsweise aufgrund der extrem hohen Gebühren die schlechtesten Betreuungsquoten. „Viele Kinder bleiben der Kita fern.“

Die einzig gerechte Antwort aus Sicht der SPD: der völlige Verzicht auf Beiträge – und zwar entgegen früheren SPD-Forderungen komplett und nicht nur bis zu einer Betreuungszeit von 30 Wochenstunden. Im Gegenzug soll das Land 1,8 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stellen: um den Einnahmeverlust der Kommunen von rund 600 Millionen Euro zu kompensieren und noch Spielraum für die geforderte Qualitätsverbesserung zu haben. Zur Gegenfinanzierung verweist Maelzer auf die Rekordsteuereinnahmen des Landes.

Aus dem Ministerium heißt es weiter, langfristig strebe die Landesregierung die Beitragsfreiheit an. Kurzfristig sei das aber wegen der strukturellen Unterfinanzierung des Systems nicht umsetzbar. Vorerst soll es daher bei der Beitragsfreiheit nur für das dritte Kindergartenjahr vor der Einschulung bleiben. Das Rettungsprogramm der Landesregierung in Höhe von 500 Millionen Euro und der Gesetzentwurf zur Anschlussfinanzierung von 450 Millionen Euro seien ein erster Schritt bis zur  Reform des Kibiz-Gesetzes, die zum Kindergartenjahr 2020/21 angekündigt ist.

Ob es im Zuge der Kibiz-Reform zumindest zur Wiedereinführung landesweit einheitlicher Elternbeiträge kommt, ist laut Ministerium noch offen. Die Frage bleibe „dem weiteren Prozess und den Verhandlungen, vor allem mit den kommunalen Spitzenverbänden, vorbehalten.“

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