Graswurzelbewegung Katholische Frauen mit der Geduld am Ende

Düsseldorf · Unter dem Titel „Maria 2.0“ startet an diesem Samstag ein einwöchiger Kirchenstreik für gleiche Rechte und Klarheit im Missbrauchsskandal. Die Idee aus Münster schlägt große Wellen.

 Frauen der Kirchengemeinde St. Maria Magdalena in Sonsbeck (Kreis Wesel) gestalten einen Gottesdienst parallel zur Messe in der Kirche. Mit dem Gottesdienst soll auf die bundesweite Aktion „Maria 2.0“ aufmerksam gemacht werden, die an diesem Samstag beginnt.

Frauen der Kirchengemeinde St. Maria Magdalena in Sonsbeck (Kreis Wesel) gestalten einen Gottesdienst parallel zur Messe in der Kirche. Mit dem Gottesdienst soll auf die bundesweite Aktion „Maria 2.0“ aufmerksam gemacht werden, die an diesem Samstag beginnt.

Foto: dpa/Armin Fischer

Es wäre nicht die erste Bewegung, die aus dem Nichts entsteht und zunächst belächelt wird, ehe sie eine ungeahnte Dynamik entwickelt. Gerade einmal eine Handvoll Frauen hatten im Januar im Lesekreis der katholischen Gemeinde Heilig Kreuz in Münster beisammengesessen und Papst Franziskus’ erstes apostolisches Schreiben „Evangelii gaudium“ (Freude des Evangeliums) studiert. Und dann angesichts des Missbrauchsskandals frustriert festgestellt: „Das Grauen überdeckt die frohe Botschaft“, wie Lisa Kötter im Rückblick erzählt. Die Frauen starteten die unabhängige Initiative „Maria 2.0“. Daraus ist in wenigen Monaten eine Aktionswoche mit europaweiter Resonanz geworden. Selbst manche Veranstaltung in Übersee ist schon bekannt.

Aber einen genauen Überblick hat niemand. Und will auch niemand. „Wir sind kein Verband und verstehen uns als Graswurzelbewegung von unten nach oben“, sagt Kötter. Jede Gemeinde plant für sich. Aber allen gemein ist, dass die beteiligten Frauen (und auch Männer) mit diesem Samstag in einen einwöchigen Kirchenstreik treten: Die Kirchen werden nicht mehr betreten, die ehrenamtlichen Dienste ruhen. Das Ziel: Es soll bewusst werden, wie wichtig das Engagement von Frauen in der katholischen Kirche ist und wie gering oft ihre Einflussmöglichkeiten sind. Die „Abschaffung bestehender männerbündischer Machtstrukturen“ sei trotz aller Reformbeteuerungen weiter nicht in Sicht, heißt es auf der Internetseite der Aktion.

Dem christlichen Glauben fühlen sich die Frauen zutiefst verbunden. „Gerade jetzt brauchen wir die Botschaften von Solidarität und Nächstenliebe“, sagt Kötter. Die 58-jährige Mitbegründerin wird mit ihren Mitstreiterinnen daher während der Messen in ihrer Gemeinde draußen vor der Kirche Gottesdienste feiern – Symbol dafür, dass die Frauen innerhalb der Kirche ausgegrenzt werden. Konfrontationen sind dabei nicht beabsichtigt. Niemand soll am Messebesuch gehindert werden. 

Brief an den Papst kann bis zum 18. Mai unterschrieben werden

Die Solidarisierung ist groß.Die katholischen Frauenverbände KDFB (Katholischer Deutscher Frauenbund) und kfd (Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands) haben sich zustimmend geäußert. Mittlerweile gehen die angekündigten Aktionen in die Hunderte, quer durch die Republik und Europa. Noch bis zum 18. Mai kann auch im Netz ein offener Brief an Papst Franziskus unterschrieben werden. Darin werden vor dem Hintergrund des Missbrauchsskandals der Zugang von Frauen zu allen Ämtern der Kirche und die Aufhebung des Pflichtzölibats gefordert.

Dass die Aktion den Missbrauchsskandal ihrerseits missbrauche für den Kampf um Frauenrechte, wie den Initiatorinnen mitunter vorgeworfen wurde, hält Künstlerin Kötter für völlig abwegig: „Ausgrenzung und Missbrauch sind zwei Seiten einer Medaille.“ Maria, die Mutter Jesu, ist im Marienmonat Mai die Gallionsfigur der jungen Bewegung. „Maria 2.0“ soll heißen: Die Zeit, da Frauen dienen und schweigen, ist auch in der katholischen Kirche vorbei.

Gegensätzliche Reaktionen
aus den Bistümern

In den Bistümern fällt die Reaktion auf die Aktion sehr unterschiedlich aus. „Das Anliegen der Frauen ist für mich mehr als verständlich“, sagt der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer. Die Aktion verdeutliche den enormen Veränderungsbedarf in der katholischen Kirche „und führt uns buchstäblich vor Augen, was ohne das große Engagement der Frauen in unserer Kirche nicht möglich wäre. Wir wollen uns in unserem Bistum diesen Themen stellen und gemeinsam nach konkreten Lösungen suchen.“

Auch Petra Dierkes, Leiterin der Hauptabteilung Seelsorge im Erzbistum Köln, äußert sich positiv. Die Erschütterung über die Erkenntnisse zum sexuellen Missbrauch in der Kirche teile sie voll und ganz „und auch den Impuls, dass sich hier vieles ändern muss“. Die Aktion zeige, „wie wichtig den Frauen die Kirche und das Evangelium sind. Im Erzbistum Köln wissen wir darum und wir handeln danach.“

Unverständnis kommt dagegen aus dem Bistum Aachen. Bischof Helmut Dieser erklärte gegenüber dieser Zeitung: „Aus meiner Verantwortung als Bischof kann ich das Format geistlich und theologisch nicht nachvollziehen. Diese Form des öffentlichen Protestes dient nicht der Vertrauensbildung, sondern führt zu einer Polarisierung. Ich empfinde Maria 2.0 als eine Symbolhandlung, die meiner Auffassung nach der christlichen und marianischen Spiritualität und Synodalität zuwiderläuft.“

 Das konservative Forum Deutscher Katholiken forderte Frauen auf, aus dem KDFB auszutreten, weil dieser die Aktion „Maria 2.0“ unterstütze.

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