Auch in Wuppertal gab es Tote des Pogroms 1938 „Kein Bild an der Wand blieb heil“

Wird über die sogenannte „Reichskristallnacht“ gesprochen, so ist zuerst von den über 1000 Synagogen die Rede, die in Brand gesetzt wurden, von den zerstörten Geschäften jüdischer Inhaber, von den Verhaftungen jüdischer Männer.

Weniger bekannt ist hingegen, dass die gewalttätigen SA-Horden auch in private Wohnungen eingebrochen sind. Die Männer haben die schlafenden Menschen – darunter auch Kinder und alte Leute – überfallen und misshandelt. In Todesangst mussten die Bewohner mit ansehen, wie ihr Hab und Gut zerschlagen, aufgeschlitzt, aus dem Fenster geworfen und auch ganz einfach gestohlen wurde.

Und tatsächlich gab es Tote, und zwar nicht nur „91 im ganzen Deutschen Reich“, wie bis heute in den allermeisten Schulgeschichtsbüchern zu lesen ist. Allein auf dem Gebiet des heutigen Nordrhein-Westfalens sind 131 Jüdinnen und Juden ermordet worden oder nahmen sich aus Verzweiflung das Leben, starben an dem Schock der gewalttätigen Übergriffe. In Wuppertal waren das mindestens vier Menschen:

Der Arzt Dr. Theo Plaut und seine Frau Elli sahen keinen Ausweg mehr und nahmen am 15. November Gift. Der junge Kaufmann Alfred Fleischhacker, 26 Jahre alt, war völlig hoffnungslos, als er nach der KZ-Haft in Dachau entlassen worden war, und erhängte sich am 8. Dezember. Seine Mutter fuhr ihn am nächsten Tag auf einer Schubkarre zum jüdischen Friedhof. Aber auch die 73-jährige Witwe Johanna Sieradzki muss man zu den Toten des Pogroms zählen. Sie und ihre Tochter Martha wurden von mindestens vier SA-Männern in ihrer Wohnung in der Ekkehardstraße 15 (damals Mittelstraße) überfallen, die Einrichtung vollständig demoliert – „nicht ein Bild blieb heil.“ Wenige Tage später erlitt Frau Sieradzki einen Schlaganfall und starb an den Folgen schon am 13. November.

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