Auf einer neuen Internetseite können Eigentümer den Wert ihrer Immobilie schätzen lassen Immobilien-Portal sorgt für Unmut

DÜSSELDORF/BONN · . Es klingt verlockend. Mit wenigen Klicks den Wert der eigenen Immobilie ermitteln – kostenlos, bequem von der Couch und ganz ohne Gutachter oder Makler. Scoperty.de nennt sich das Start-up-Unternehmen aus München, das genau das möglich machen soll.

 Zweifelhafter Nutzen: Das Start-up Scoperty liefert für jede Adresse einen geschätzten Kaufpreis. Die Karte zeigt exemplarisch den Ortskern von Viersen-Süchteln.

Zweifelhafter Nutzen: Das Start-up Scoperty liefert für jede Adresse einen geschätzten Kaufpreis. Die Karte zeigt exemplarisch den Ortskern von Viersen-Süchteln.

Foto: Scoperty/Röse

Dabei vermittelt das Portal potenzielle Käufer gleich mit. 35 Millionen Immobilien in ganz Deutschland listet Scoperty nach eigenen Angaben auf – samt exaktem Standort und Luftbild. Auf Wunsch hilft das Portal auch beim Verkauf oder der Baufinanzierung.

In der Branche stößt der Dienst auf teils starke Kritik. Der Immobilienverband Deutschland IVD West schreibt dazu in einer Pressemitteilung: „Wir sehen das Portal als kritisch an, sowohl aus rechtlichen als auch aus praktischen Gründen“, so Burkhard Blandfort, Vorsitzender des IVD West. Auch der Datenschutz sei ein Problem.

Wie viel ist meine Immobilie wert? Die Frage dürfte manchen Eigentümer beschäftigen. Interessierte ermuntert Scoperty, die Adresse der Immobilie auf seiner Homepage einzugeben. Im Gegenzug bekommt der Nutzer unverbindlich einen „Schätzwert“ mir einer Preisspanne, die jedoch auch gerne mal 400 000 Euro groß sein kann. Dabei versteht sich das Münchner Unternehmen als „digitaler Marktplatz“, der den Immobilienmarkt „transparenter und agiler“ machen möchte. Es werde ein „Vormarkt“ geschaffen, der es ermögliche, „Gebote auf Immobilien abzugeben, die noch nicht offiziell auf dem Markt sind“. Denn ein Nutzer kann auch die Nachfrage bereits „testen“, indem er seine Immobilie auf den Status „offen für Gebote“ stellt.  IVD-Vorsitzender Blandford sieht dieses Geschäftsmodell kritisch. „Es erweckt den Eindruck, dass das ganze Land zum Verkauf steht oder jeder käuflich ist.“  Holger Knille, Leiter des Bereichs Immobilienfinanzierung bei der Stadtsparkasse Düsseldorf, betont: „Für mich ist das nichts weiter als ein Marketinggag für den Ankauf von Objekten.“ Die hohen Schätzwerte sollen Eigentümern quasi den Verkauf schmackhaft machen. Knille rät, auf den Profi zurückzugreifen: „Der lokale Makler verfügt über detailliertes und präzises Standortwissen, der Lage, Objekttyp und technischen Zustand
exakt beurteilen kann. Dazu gehört mehr als ein Luftbild.“
Thomas Schüttken, Geschäftsführer von Böcker Wohnimmobilien aus Düsseldorf, die ebenfalls eine Wohnmarktanalyse anbieten, räumt ein: „Grundsätzlich sind die Zahlen nicht völlig aus der Luft gegriffen, da sie sich auf die professionelle Datenbank von Sprengnetter beziehen. Allerdings ist die Streuung der Kaufpreise sehr hoch und somit eine verlässliche Aussage über den Wert der Immobilie auch nicht belastbar.“ Hier könne Big Data nur eine sehr grobe Richtung vorgeben, die im Zweifelsfall „auf eine falsche Spur und somit zu falschen Entscheidungen“ führe, so Schüttken.

Dr. Werner Fliescher, Vorstand bei Haus und Grund Düsseldorf, rät Verbrauchern zur Vorsicht: Die Bandbreiten der Werte seien zu groß, relevante Faktoren zur Bewertung nicht berücksichtigt. Wichtig zu wissen: „Eigentümer haben die Möglichkeit, der Veröffentlichung ihrer Daten beim Portal zu widersprechen. Ein Widerspruch führt aber dazu, dass das Unternehmen Daten erhält, nämlich die, wer bei welcher Immobilie Eigentümer oder Mieter ist“, sagt Fliescher.

Und was sagt Scoperty-Geschäftsführer Michael Kasch zu den Vorwürfen? „Die Kartendarstellung auf Scoperty bedeutet nicht, dass das ganze Land käuflich ist, sondern sie erlaubt es jedermann, ein erstes Gefühl für den Markt zu bekommen.“ Dazu gehöre, dass man den Datenschutz ernst nehme. „Jeder Eigentümer kann seine Immobilie auf inaktiv stellen, und den Dienst dennoch nutzen.“  Wer Widerspruch einlege und seine Immobilie löschen lasse, dessen Daten würden auch komplett gelöscht.

Unterm Strich hält Bernd Viebach, Projektleiter bei der Bonner Kraft Immobiliengruppe, den Verbrauchernutzen des Portals für gering: „Wir haben vor einiger Zeit aktuell verkaufte Immobilien mit den bei Scoperty angegebenen Preisspannen verglichen. Die Ergebnisse waren ziemlich verheerend.“ Viebach stieß auf Abweichungen vom tatsächlichen Marktpreis von teils über 50 Prozent. „Solche Fehleinschätzungen machen den Markt nicht transparenter, sondern verunsichern potenzielle Verkäufer und Käufer.“

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