Nachkriegsgeschichte Die traurige Geschichte eines Hochzeitskleids

DÜSSELDORF · Das im Entstehen befindliche Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen übernimmt bereits jetzt eine bemerkenswerte Sammlung.

 Werner Abresch: Seine Sammlung kommt ins Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen.

Werner Abresch: Seine Sammlung kommt ins Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen.

Mit Hochzeitskleidern sind oftmals emotionale Geschichten verknüpft. Diese hier ist eine sehr besondere. Gabriele Uelsberg, Präsidiumsmitglied der Stiftung Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen, erzählt sie:

Wolfgang Hergert ist 1943 als Soldat der Wehrmacht an der französischen Front. Er schickt seiner Verlobten Fallschirmseide nach Hause. Ein damals wertvolles Textil, das die Soldaten manchmal in die Hände bekamen, wenn andere tot oder lebendig damit gelandet waren. Der Plan: Die Frau, die er wenig später heiraten will, soll daraus ihr Hochzeitskleid schneidern lassen. So geschieht es. Jedoch kommt es nicht zur Hochzeit. Denn Hergert stirbt im Krieg. Trotzdem – sechs Jahre später trägt die Frau das Kleid dann doch. Bei ihrer Hochzeit mit einem anderen Mann. 

Eine Geschichte, über die sich lange grübeln lässt. Das Kleid gibt es noch heute. Und dass Gabriele Uelsberg dessen Geschichte erzählen kann, liegt daran, dass die damalige Braut von der Sammelleidenschaft eines gewissen Werner Abresch gehört hatte. Diese Leidenschaft, derartige Gegenstände zu sammeln, begann bei dem Pfarrer des Willibrordi-Doms in Wesel vor mehr als 30 Jahren.

 Das aus Fallschirmseide gefertigte Hochzeitskleid.

Das aus Fallschirmseide gefertigte Hochzeitskleid.

Foto: Haus der Geschichte/Abresch

Aus Stahlhelm und Gasmaske wurden Küchenutensilien

Der heute 79-Jährige hatte bei einem Besuch in der Gemeinde einen Messingteller entdeckt, den er als umgeformte Geschosskartusche erkannte. Dieses Objekt und die damit verbundenen Geschichten ließen ihn nicht mehr los, erzählt seine Frau Inge in Vertretung ihres erkrankten Mannes bei der Präsentation einiger Sammlungsstücke in Düsseldorf: „Aus Kriegsgerät entstanden Alltagsgegenstände. Dieses Umfunktionieren hat meinen Mann von Beginn an fasziniert. Noch mehr aber interessierten ihn die Menschen, die diese Dinge mit viel Erfindergeist geschaffen haben – zum Leben und zum Überleben. Jeder Gegenstand bekommt so ein Gesicht und eine Geschichte.“

Da ist zum Beispiel ein zum Küchenabgießsieb umfunktionierter Wehrmachts-Stahlhelm, schwarz lackiert und emailliert, quasi unkaputtbar. Und ein Elektrokocher, gefertigt aus den Teilen einer Gasmaske. Zu der 2000 Objekte zählenden Sammlung Abresch gehören zahlreiche Gebrauchsgegenstände, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit aus Rüstungsmaterialien gefertigt wurden. Etwa Zünderdosen von Bomben, die in Kaffeemühlen oder Salzstreuer umgewandelt worden waren. Oder zu Vasen umgeformte Granathülsen.

Erinnerung soll Bewusstsein für den Wert des Friedens schaffen

Dass es all diese Gegenstände noch gibt, hat mit dem Enthusiasmus von Werner Abresch zu tun, Geschichten der Kriegs- und Nachkriegszeit lebendig zu halten und durch Führungen und Besuche an Schulen das Bewusstsein der jüngeren Generation für den Wert des Friedens zu schärfen. Die Leidenschaft des Vaters für das Sammeln war immer auch eine Familienangelegenheit. Seine Söhne Johannes und Philipp Abresch erinnern sich: „Wir haben unseren Vater oft begleitet, zu Trödelmärkten und Zeitzeugen. Zu den Dingen, die er sammelte, wurden ihm ja immer auch Anekdoten erzählt. Die Erzählungen, die wir dann hörten, waren oft andere Geschichten als die, die wir aus der Schule so kannten. Viel eindrücklicher und greifbarer. Tragische, traurige, abenteuerliche, lustige und verwunderliche Geschichten, die mit diesen außergewöhnlichen Gegenständen verbunden waren – die ganze Fülle des Lebens einer bewegten Zeit eben.“

Ihrem Vater sei es weniger auf die Gegenstände angekommen als auf die damit verknüpften Geschichten, die er sich erzählen ließ und dokumentierte – für die Nachwelt. Denn der Nachwelt sollen sie demnächst an prominenter Stelle erhalten bleiben. In dem gerade im Entstehen befindlichen Haus der Geschichte Nordrhein-Westfalen am Düsseldorfer Mannesmann-Ufer. „Wir sind der Familie Abresch außerordentlich dankbar, dass sie das Lebenswerk von Werner Abresch unserem Haus anvertraut hat“, sagt Gabriele Uelsberg. Einige der Objekte werden dort bereits im August in der Ausstellung zum 75-jährigen NRW-Jubiläum zu sehen sein.

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