Großeinsatz Hambacher Forst: Worum es bei dem Konflikt wirklich geht

Kerpen · Warum drängt RWE auf die Rodung? Und wer sind „die Aktivisten“? Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Konflikt um den Hambacher Forst.

Aktivisten stellen sich einer Rodungsmaschine in den Weg.

Aktivisten stellen sich einer Rodungsmaschine in den Weg.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Warum dürfen die Baumhäuser im Hambacher Forst auf einmal geräumt werden?

Weil das NRW-Bauministerium am Donnerstag eine Räumung angeordnet hat – wegen fehlendem Brandschutz und akuter Gefahrenabwehr. Die „baulichen Anlagen“ seien zu räumen und zu beseitigen, weitere „bauliche Anlagen“ dürfen künftig nicht mehr errichtet werden. Die Ministerien nutzen rechtlichen Möglichkeiten, ähnlich wie bei den jüngsten Räumungen von Hochhäusern in Wuppertal oder Dortmund.

„Der Brandschutz hat absoluten Vorrang, wenn es um Leib und Leben der Betroffenen geht“, sagte gestern Jan Heinisch, Staatssekretär im Bauministerium und versuchte zu erklären, warum die Bauaufsichtsbehörde dieser Verantwortung nicht schon früher nachgekommen war: Interessant sei allein, so Heinisch, dass man nach einer Begehung der Polizei vom 28. Juni und der Bauaufsichtsbehörde durch die Bauordnungsämter des Kreises Düren und der Stadt Kerpen am 27. August auf die Missstände aufmerksam geworden sei – und eine rechtliche Neubewertung vorgenommen habe.

„Gefahrenabwehr duldet keine Verleugnung der Realität“, sagte Heinisch. Waren die Baumhäuser unter alter Landesregierung noch nicht als „bauliche Anlage“ bewertet worden, hat sich das jetzt geändert. Die Frage, ob es eine natürliche oder eine künstliche Verbindung zum Boden gebe, was seinerzeit Unterscheidungskriterium gewesen sei, sei für die Bewertung nun nicht mehr relevant. Und: Damit die mit Küchen, Strom und Heizung ausgestatteten Baumhäuser nicht wieder heimlich bezogen werden könnten, müssten sie beseitigt werden.

Worum geht es überhaupt?

Der Hambacher Wald enthält Jahrhunderte alte Buchen und Eichen. Früher war er einmal 4100 Hektar groß. 3900 Hektar wurden bereits für den Tagebau gerodet. RWE will im Herbst mehr als die Hälfte des übrig gebliebenen Waldes fällen, um weiter Kohle baggern zu können. Laut Umweltverband BUND gibt es in dem Gebiet Vorkommen streng geschützter Arten wie Bechsteinfledermaus, Springfrosch und Haselmaus.

Warum spitzt sich gerade alles zu?

Nach der Rodungssaison wird von dem Wald nicht viel übrig sein. Der Umweltverband BUND klagt seit Jahrzehnten gegen den Tagebau Hambach. Aber erst Aktivisten lenkten 2012 mit ihrer Besetzung den Blick auf den Wald. Mittlerweile gilt er als Symbol für den Kampf um Klimaschutz. Die Rodungssaison geht vom 1. Oktober bis Ende März.

Welche Rolle spielt die Kohlekommission in dem Konflikt?

Ein rheinisches Bündnis aus Betroffenen, Naturschützern und kirchlichen Organisationen hat mit einem Appell die Kohlekommission ins Spiel gebracht. Darin forderten 16 Organisationen einen Aufschub der Rodungen bis zum Abschluss der Kommissionsarbeit.

Warum drängt RWE auf die Rodung?

Eine vorübergehende Aussetzung der ab Mitte Oktober geplanten Rodung würde laut RWE die Stromerzeugung in den Kraftwerken in Frage stellen. Die Kohlegewinnung sei bereits in den kommenden zwei Jahren notwendig. RWE gibt an, in der Vergangenheit „umfangreiche Rekultivierungsmaßnahmen umgesetzt“ zu haben: Im Rheinischen Revier wurden nach Unternehmens-Angaben bereits rund 87 Quadratkilometer Wald neu angelegt und mehr als 10 Millionen Bäume gepflanzt.

Wer sind „die Aktivisten“?

„Die Aktivisten“ gibt es nicht. Die Besetzer sind mit kurzer Unterbrechung seit 2012 in schwankender Stärke und mit wechselnden Leuten im Wald – selbst in den kalten Wintermonaten. Auf der Wiese eines Privatmanns steht eine kleine Infrastruktur mit einer Küche und Versammlungsraum. In den ältesten und größten Bäumen des Waldes stehen nach Ministerium-Angaben „51 bekannte Baumhäuser“, die seit gestern geräumt und zerstört werden.

Wer entscheidet, ob und wann die Rodungen beginnen?

Die zuständige Bezirksregierung Arnsberg hatte im Frühjahr den Hauptbetriebsplan für den Braunkohletagebau Hambach bis 2020 genehmigt – und damit auch die Rodungen. Aus Naturschutzgründen darf aber erst ab dem 1. Oktober gefällt werden. Das Oberverwaltungsgericht Münster könnte die Rodungen noch mit einer Eilentscheidung vorerst stoppen. Damit soll verhindert werden, dass vor einer weiteren gerichtlichen Entscheidung Fakten mit der Kettensäge geschaffen werden.

Worum geht es in dem Rechtsstreit?

Eine zentrale Frage in der rechtlichen Auseinandersetzung zwischen dem Umweltverband BUND und Land NRW ist, ob der Wald mit seinem Bechsteinfledermaus-Vorkommen die Qualitäten eines europäischen FFH-Schutzgebietes hat. Das OVG Münster hatte in einem vorherigen Rechtsstreit Anhaltspunkte dafür gesehen, dass der Hambacher Wald möglicherweise ein potenzielles Schutzgebiet ist. In dem Fall dürfe es nicht zerstört werden.

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