Technik-Testlauf am Flughafen Weeze So fährt es sich mit dem ersten autonomen Bus in NRW

Weeze · Am Flughafen Weeze fährt seit einer Woche ein Shuttle ohne Fahrer. Ein Steward ist an Bord, um notfalls einzugreifen – und das muss er auch noch. Ein Erfahrungsbericht.

 Der autonome Bus: Vorne drei Sitze, hinten drei Sitze, in der Mitte der Steward mit Sicherheits-Joystick.

Der autonome Bus: Vorne drei Sitze, hinten drei Sitze, in der Mitte der Steward mit Sicherheits-Joystick.

Foto: Markus van Offern

Mit dem ersten autonomen Bus Nordrhein-Westfalens zu fahren, fühlt sich überhaupt nicht an wie Busfahren. Die kompakte Kabine, die seit einer Woche über das Gelände des Flughafens Weeze rollt, wirkt eher wie eine Gondel: Sechs Passagiere haben Platz und sitzen sich gegenüber. Man weiß nicht recht, wo vorn und wo hinten ist. Der Steward Jürgen Engelen tippt auf einem Tablet herum, dann ertönt ein leises „Pling“. Lautlos und ohne Ruckeln fährt der elektrische Shuttle an. Nur um gleich wieder zu stoppen: Der Bus war nicht ganz exakt von seiner Startposition losgerollt und kommt dem Fahrbahnrand jetzt zu nah – das erkennen die Sensoren und ziehen die Bremse. Alles automatisch.

Seit der vergangenen Woche können Passagiere mit zwei autonomen Shuttle-Bussen zwischen Parkplatz, Hotel und Terminal fahren. Es ist das erste Mal, dass in NRW automatisierte Fahrzeuge als öffentliches Transportmittel eingesetzt werden. Sechs Monate lang werden sie dort im Rahmen des deutsch-niederländischen und von der EU geförderten Projektes „Interregional Automated Transport“ erprobt. In den Niederlanden sind die autonomen Busse zugelassen, am Airport auf deutschem Boden fahren sie mit einer Ausnahmegenehmigung.

Jedes Straßenschild, jeder Poller wurde genau eingemessen

Es sei „ein Innovationsprojekt“, betont Projektleiter Sven Robertz. Noch ersetzt die Maschine nicht die „Manpower“: Laut Gesetz muss immer ein Steward an Bord sein, der den Joystick zur Steuerung in der Hand behält und im Notfall eingreifen kann. Oder wenn die Kapsel wie jetzt einfach stehen bleibt. Von Hand manövriert Jürgen Engelen den Bus zurück auf die Route, die dieser bei zahllosen Testfahrten gelernt hat. „Alle feststehenden Objekte sind eingemessen“, so Robertz – jedes Straßenschild, jeder Poller. Das Problem: Mit Veränderungen kommt er nicht gut zurecht. Das zeigt sich nur wenige Meter weiter, wo ein Lkw verbotswidrig auf der Strecke des Shuttles steht. Der kleine Bus wird langsamer und langsamer, dann hält er erneut, Steward Engelen muss eingreifen und das Hindernis umfahren.

Bus reagiert schneller als der Mensch – und bremst für Hasen

 Die Projektleiter Sven Robertz und Ellen Jansen sowie Steward Jürgen Engelen (rechts) mit einem der beiden Fahrzeuge.

Die Projektleiter Sven Robertz und Ellen Jansen sowie Steward Jürgen Engelen (rechts) mit einem der beiden Fahrzeuge.

Foto: Markus van Offern, Juliane Kinast

Dann rollt der autonome Bus mit Höchstgeschwindigkeit vom Terminal weg. Mit 15 km/h. Beim Test steht Sicherheit an oberster Stelle – sogar Anschnallgurte gibt es. Obwohl sich das Fahrzeug auf einer Vorfahrtsstrecke befindet, reduziert es das ohnehin geringe Tempo lange vor der ersten Kreuzung. „Der Bus fährt sehr defensiv“, erklärt Robertz. Als am Fahrbahnrand Fußgänger auftauchen, kommt der Bus nur noch im Schritttempo voran. Ein Mensch-Maschine-Missverständnis entsteht: Die Familie will sich das ungewöhnliche Gefährt näher ansehen, das Gefährt meint, sie will die Straße überqueren, und zaudert.

Derartige Neugier begleitet Steward Engelen zurzeit durch den Tag. Immer wieder hat er Fahrgäste, die gar nicht fliegen, sondern nur mal autonom fahren wollen. Gerade viele ältere Menschen seien „skeptisch, aber interessiert“, hat Engelen erlebt. Immerhin: „Ausgestiegen ist noch keiner.“ Für die Projektpartner eine wichtige erste Erkenntnis, denn neben der Erprobung der Technik geht es im Testbetrieb auch darum, wie die Passagiere reagieren. Sie werden zu ihren Erfahrungen, aber auch zu ihren Gefühlen im Zusammenhang mit dem autonomen Shuttle befragt.

Selbst für die weniger technikaffinen unter ihnen ist der neue Shuttle ein Gewinn. Eine Zeitersparnis bringt ihnen die Fahrt vom Parkplatz zum Terminal – eine Distanz von wenigen hundert Metern – zwar nicht. „So weit sind wir noch nicht“, erklärt Robertz. Dafür seien die Sicherheitserfordernisse zu hoch angesiedelt. „Wir machen hier nichts mit der Brechstange.“ Trotzdem freuten sich Fluggäste mit schwerem Gepäck über die Transportmöglichkeit, ältere Menschen. Oder alle, sobald es regnet.

Was der kleine Bus kann, wenn er sich auf gewohntem Terrain bewegt, zeigt sich gegen Ende der Etappe, als er sich mit seinen sechs Kameras, sechs Lasern und sechs Radarkomponenten vorsichtig in die Engstelle zwischen den Schranken am Parkplatz manövriert. Auch in einer echten Gefahrensituation könnte er punkten. „Er reagiert schneller als ein Mensch“, sagt Robertz. Und würde selbst für ein winziges Kaninchen auf der Straße sofort bremsen.

Auch auf der Rückfahrt Richtung Terminal ist der kleine Bus in seiner Komfortzone: Abfahrtspunkt exakt, wo er programmiert ist; keine Hindernisse auf der Strecke. „Jetzt mache ich nichts, als den Verkehr zu beobachten“, erklärt Engelen. So verwunderlich die Leistung des selbstfahrenden Busses ist: Sie zeigt auch die Grenzen der neuen Technik auf. Versetzt der Flughafen einen Stein entlang der Strecke, muss das eingespeist werden. Für alles Weitere, so Projektleiter Robertz, bräuchte man nicht nur eine selbstlernende Software, sondern auch ganz neue Zulassungsverfahren. Denn eine solche Technik würde sich naturgemäß ständig verändern, bislang muss jede technische Veränderung wieder vom Tüv abgenommen werden. „Damit muss man sich auseinandersetzen“, sagt der Experte. Aber auch er als Mitbetreiber des ersten autonomen Busses von NRW ist sicher: „Bis wir in vollautomatischen Fahrzeugen über die Autobahn fahren, dauert es noch.“

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