Vier Jahre nach Burbach Flüchtlinge misshandelt - Prozess gegen über 30 Sicherheitsleute beginnt

Siegen · Die Bilder schockieren Deutschland: Wachleute demütigen und misshandeln Flüchtlinge in Burbach. Fast vier Jahre später sitzen nun mehr als 30 Verdächtige auf der Anklagebank.

Das Flüchtlingsheim auf dem Gelände der ehemaligen Siegerland-Kaserne. Vor gut vier Jahren war bekannt geworden, dass in dem Heim Sicherheitspersonal Flüchtlinge misshandelt und gedemütigt haben soll.

Das Flüchtlingsheim auf dem Gelände der ehemaligen Siegerland-Kaserne. Vor gut vier Jahren war bekannt geworden, dass in dem Heim Sicherheitspersonal Flüchtlinge misshandelt und gedemütigt haben soll.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Die Bilder von Wachleuten, die Flüchtlinge in einem Heim in Burbach misshandeln und demütigen, gingen um die Welt. Von Mitte November an steht ein Großteil von ihnen wegen Dutzender Taten in Siegen vor Gericht. Angeklagt sind insgesamt 38 Verdächtige, gegen 32 von ihnen beginnt der Prozess am 8. November. Sie sollen zwischen Dezember 2013 und September 2014 Flüchtlinge gedemütigt oder misshandelt und ihre Übergriffe mit dem Handy dokumentiert haben, wie das Landgericht Siegen am Donnerstag mitteilte.

Vor gut vier Jahren hatten die Handyfotos und eine Videoaufnahme der Misshandlungen durch private Wachleute in der ehemaligen Kaserne für große Empörung gesorgt. Neben den auf den Mobiltelefonen von Wachleuten gefundenen Fällen stießen die Ermittler auf eine Vielzahl weiterer möglicher Übergriffe durch das Sicherheitspersonal des Heimes.

Den Angeklagten wird vorgeworfen, Flüchtlinge teilweise mehrere Tage lang in sogenannte Problemzimmer gesperrt zu haben, wenn diese zum Beispiel gegen die Hausordnung verstoßen, geraucht oder Alkohol getrunken hatten. In diesen Räumen seien sie auch genötigt, misshandelt und bestohlen worden. Mit den Sanktionen sollte die Anzahl der zu meldenden Vorfälle in der Einrichtung möglichst gering gehalten werden, teilte das Landgericht mit.

Die Zimmer waren nach früheren Angaben des NRW-Innenministeriums ursprünglich als sogenannte Separationsräume eingerichtet worden, um dort alkoholisierte oder randalierende Menschen von den übrigen Heimbewohnern zu trennen. Der Wachdienst habe die Flüchtlinge bedroht und misshandelt, um die Anzahl der zu meldenden Vorfälle in der Einrichtung möglichst gering zu halten, teilte das Landgericht mit.

Nach früheren Angaben des NRW-Justizministeriums war zunächst gegen insgesamt 67 Beschuldigte ermittelt worden. Sie sollen an den Misshandlungen beteiligt gewesen sein, sie in Auftrag gegeben, gebilligt oder zumindest davon gewusst haben. Neben der Heimleitung standen auch die Chef-Etage des damaligen Heimbetreibers European Homecare aus Essen, Sozialbetreuer und andere Mitarbeiter der Einrichtung, Polizeibeamte sowie Behördenmitarbeiter in Verdacht.

Nach Gerichtsangaben wurde das Verfahren gegen einen geständigen Angeklagten aus den Reihen der Heimleitung ebenso abgetrennt wie das Verfahren gegen fünf weitere geständige Angeklagte. Sie müssen sich voraussichtlich Anfang des kommenden Jahres vor Gericht verantworten.

Die Übergriffe von Burbach hatten eine Diskussion um die Qualität und Standards in den NRW-Flüchtlingsunterkünften ausgelöst und zu besseren Kontrollen geführt. Der Heimbetreiber wurde kurzfristig vom Deutschen Roten Kreuz abgelöst. Außerdem nahmen die NRW-Behörden Mitarbeiter von Sicherheitsdiensten genauer unter die Lupe. Mehr als 100 bei der Prüfung aufgefallene Wachleute waren danach für den Einsatz in Flüchtlingsunterkünften gesperrt worden, weil sie beispielsweise wegen schwerer Körperverletzung vorbestraft waren oder Ermittlungsverfahren wegen Drogendelikten gegen sie liefen.

Das Landgericht stellt der Mammut-Prozess unter anderem auch vor räumliche Probleme: «Unsere Sitzungssäle sind nicht für einen Prozess in dieser Größe ausgelegt», sagte Richterin Julia Lingenhoff vom Landgericht der dpa. «Wir ziehen deshalb für die Verhandlungen in die Siegerlandhalle um.» Gericht und Verteidiger mussten unter anderem in eine mehr als 33 000 Seiten starke Akte einarbeiten.

(dpa)
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