Fall Sami A.: OVG-Präsidentin macht Politik Vorwürfe
Münster (dpa/lnw) - Nach dem juristischen Tauziehen um den abgeschobenen Islamisten Sami A. macht Nordrhein-Westfalens ranghöchste Richterin der Politik schwere Vorwürfe - und sieht das Vertrauensverhältnis beschädigt.
„Hier wurden offensichtlich die Grenzen des Rechtsstaates ausgetestet“, sagte die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts, Ricarda Brandts, der Deutschen Presse-Agentur. „Der Fall des Sami A. wirft Fragen zu Demokratie und Rechtsstaat - insbesondere zu Gewaltenteilung und effektivem Rechtsschutz - auf.“ Sie rate Richtern nach den jüngsten Erfahrungen, sich auf Zusagen von Behörden vorerst nicht mehr in jedem Fall zu verlassen.
Der von den Sicherheitsbehörden als islamistischer Gefährder eingestufte Sami A. war am 13. Juli nach Tunesien abgeschoben worden. Dabei hatte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine Abschiebung am 12. Juli noch untersagt. Die Richter hatten Sorge, dass Sami A. in Tunesien gefoltert werden könnte. Der Beschluss wurde den zuständigen Behörden aber erst zugestellt, als Sami A. am Morgen danach bereits im Flugzeug nach Tunesien saß.
„Dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wurden Informationen bewusst vorenthalten“, kritisierte Brandts. So hätten die Behörden verhindern wollen, dass die Justiz rechtzeitig ein Abschiebeverbot verhängen konnte. „Da wurde eine kurze Zeitlücke genutzt, um abschieben zu können.“