Radserie Weitblick – alles so flach hier

Auf dem Rad-Weg zur Arbeit erlebt WZ-Redakteur Michael Sender auch, was beim Fahren alles passieren kann.

 Die Sonne knallt. Ich trete.

Die Sonne knallt. Ich trete.

Foto: Michael Sender

Die Ampel: ROT! Wie oft hatte ich das schon in meinem Leben? Drei, vier mal? Nein, sehr viel öfter (natürlich). Ich wüsste gern, wie viele Stunden ein Mensch durchschnittlich wegen dieser Farbe im Wartemodus verharrt. Gibt es da eine Statistik? Es gibt für alles eine Statistik. Das Männchen und das Fahrrad könnten auch in lila leuchten, aber sie tun es in rot. Und nun warte ich da – am Kempener Außenring. Ich blicke kurz hinter mich: die ältere Dame, die ich überholt hatte, steht nicht weit weg. Sie atmet kurz durch. Die Strampelei regt den Blutfluss an. Das tut gut.

Fortlaufende Kreisbewegung

Sie macht einen entspannten Eindruck. GRÜN! Es geht heiter weiter. Ich spanne meine voluminöse Muskulatur an und trete mit dem rechten Fuß auf das obenstehende rechte Pedal. Das linke Pedal zirkelt hoch, flott mit dem linken Fuß drauf. Die fortlaufende Kreisbewegung wird sich jetzt hunderte Male wiederholen, denke ich. Doch plötzlich höre ich einen Schrei. Nackendehnung durch Kopfdrehung – die Oma liegt samt Fahrrad auf dem Boden. Ein Kleintransporter hat ihren Weg geschnitten und fährt weiter, genauso wie die übrigen abbiegenden Autos. Das Nummernschild konnte ich nicht mehr erkennen. Die Ampel ist schon wieder ROT.

 Die betagte Dame rappelt sich auf. Ich drücke auf den Schalter und winke zur anderen Straßenseite. Sie winkt zurück. Ich atme durch und warte. Endlich GRÜN! Sie kommt auf meine Seite, wirkt leicht erschrocken, aber ganz klar. „Ist alles gut?“ Sie antwortet: „Ja. Danke, dass sie gewartet haben.“ Ein paar Meter radel ich mit ihr gemeinsam, um sicher zu gehen, dass ich sie allein lassen kann. „Das hab ich schon öfter erlebt“, sagt sie. Ich drücke mein Unverständnis aus und frage noch einmal nach, ob wirklich alles gut ist. „Ja, alles in Ordnung“, versichert sie, als wir auf die Baustellenumleitung an der Hülser Straße zusteuern.

 Zehn Verkehrsschilder an gleicher Stelle sollen uns den Weg zu weisen. Ich bin verwirrt. Deutsche Bürokrate in der Verkehrspraxis. Sicherheit geht nun mal vor. Über die grobkörnige Fahrbahn gelange ich in das Gewerbegebiet. Durch den Umweg lerne ich die gewinnorientierten Vertreter Kempens kennen. Was wird hier wohl alles produziert, verarbeitet und geleistet? Ich leiste körperliche Arbeit. Geistig wird es erst in der Redaktion. Ich befinde mich auf der Zielgeraden. 

Teil vier folgt nächsten Samstag

Fahren Sie auch gerne mit dem Drahtesel und haben Lust ihre Erfahrungen zu teilen? Kennen Sie geheime Strecken? Oder überlegen Sie für den Berufsweg vom Autositz auf den Sattel umzusteigen? Das Fahrradfahren verbindet. Ich würde mich freuen, wenn Sie mir schreiben und wir uns austauschen.

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