Politik muss nachbessern Ethikrat-Vorsitzende sieht Bedingungen für Corona-Impfpflicht noch nicht erfüllt

Die Diskussion um eine Impfpflicht in Deutschland geht weiter. Doch nach Auffassung des Ethikrats hat die Politik vor der Einführung sowieso noch einige Aufgaben zu erledigen.

 Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats sieht die Politik in der Pflicht.

Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrats sieht die Politik in der Pflicht.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Die Vorsitzende des Deutschen Ehtikrats, Alena Buyx, sieht die von dem Gremium gestellten Bedingungen für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht bisher nicht gegeben. "Wir haben der Politik ins Aufgabenheft geschrieben, was alles gemacht werden müsste, bevor eine Impfpflicht kommen könnte: Man müsste zum Beispiel noch viel mehr niedrigschwellige, flächendeckende Impfangebote haben", sagte sie dem "Spiegel". "Eine echte zielgruppenspezifische Strategie aber wurde bislang versäumt."

Nötig seien auch eine dauerhafte Impf-Infrastruktur, sehr viel gute Beratung und noch einiges mehr. "Es gibt also eine ganze Reihe von Bedingungen oder flankierenden Maßnahmen, die zwingend sind, bevor es aus unserer Sicht zu einer Impfpflicht kommen könnte", sagte Buyx.

Der Ethikrat hatte kurz vor Weihnachten eine Stellungnahme veröffentlicht, in der eine Ausweitung der Corona-Impfpflicht auf große Teile der Bevölkerung empfahl. Ein solcher Schritt müsse aber flankiert werden "von einer Reihe von Maßnahmen, etwa einer flächendeckenden Infrastruktur mit sehr vielen niedrigschwelligen Impfangeboten und ausreichend Impfstoff", hieß es damals. Auch müsse eine erweiterte Impfpflicht mit "zielgruppenspezifischer, kultursensibler, mehrsprachiger und leicht verständlicher Information" verbunden sein.

Die neue Omikron-Variante habe bei der Stellungnahme noch nicht richtig mit einbezogen werden können, sagte Buyx nun dem "Spiegel". "Wir haben im Kern unter den Bedingungen der Delta-Variante geschrieben." Die normativen Argumente an sich blieben aber gleich.

Wenn sich Faktenlage und Situation allerdings deutlich änderten, müsse man sich "normative Einschätzungen, wie man sie getroffen hat, noch einmal neu anschauen", sagte Buyx weiter. "Alles andere wäre unverantwortlich."

Die Ratsmitglieder stünden für "Revisionsoffenheit", sagte die Medizinethikerin. Dies sei auch der Politik zu empfehlen. "Es kann ja sein, dass sich erneut wichtige Dinge verändern, zum Beispiel, dass unsere bisherige Impfquote bei zukünftigen, harmloseren Mutationen doch ausreicht, um in eine kontrollierte endemische Lage zu gelangen." Selbstverständlich könne auch das Gegenteil passieren.

Grundsätzlich mahnte Buyx zur Vorsicht bei der Debatte über eine mögliche allgemeine Impfpflicht. "Es wäre falsch, die Entscheidung übers Knie zu brechen", sagte sie. "Eine Impfpflicht bräuchte ohnehin vier Monate Minimum, bis sie wirkt. Es geht nicht um morgen, sondern um übermorgen. Und deshalb halte ich es für angemessen, sorgfältig zu diskutieren, auch wenn es Zeit kostet."

cne/mt

(AFP)
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