Anschlag in Essen und Bottrop Jagd auf Migranten in Silvesternacht - Autofahrer muss in Psychiatrie

Essen · Ein Mann machte mit seinem Auto in der letzten Silvesternacht Jagd auf Menschen, die aus seiner Sicht einen Migrationshintergrund haben. Nun wurde er vor dem Essener Landgericht verurteilt.

 Mit Flatterband ist die Bushaltestelle in Essen gesichert, an der ein 50-Jähriger in der Silvesternacht gezielt eine wartende Frau angefahren hatte.

Mit Flatterband ist die Bushaltestelle in Essen gesichert, an der ein 50-Jähriger in der Silvesternacht gezielt eine wartende Frau angefahren hatte.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Es müssen dramatische Szenen gewesen sein. In der Silvesternacht fuhr ein Autofahrer in Bottrop und Essen plötzlich in feiernde Menschengruppen. Dabei wählte er gezielt Menschen aus, die er für Ausländer hielt. Am Mittwoch ist der 50-jährige Deutsche auf unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen worden. Einen terroristischen oder ausländerfeindlichen Hintergrund sah das Essener Landgericht nicht.

„Die Geschädigten sind nicht Opfer eines rechtsradikalen Täters geworden“, sagte Richter Simon Assenmacher in der Urteilsbegründung. „Es ist vielmehr die Tat eines schwer erkrankten Menschen.“ Der Angeklagte leide seit Jahren unter paranoider Schizophrenie. Schon Stunden vor der Tat sei er von Wahnvorstellungen verfolgt worden. Gegen Mitternacht sei er schließlich völlig ohne Grund nach Bottrop und später zurück nach Essen gefahren.

Die lebensgefährliche Irrfahrt führte über Plätze, durch Fußgängerzonen und über Bürgersteige. Wahllos habe er seine späteren Opfer aber nicht ausgesucht. „Seine Fahrt richtete sich gezielt gegen Menschen mit ausländischem Aussehen“, so Assenmacher. Dabei habe er den Tod der Opfer billigend in Kauf genommen.

Trotzdem könne dem Essener abseits seiner Wahnvorstellungen kein Ausländerhass unterstellt werden. Ausgelöst durch einen akuten Schub seiner paranoiden Schizophrenie habe er in der Silvesternacht geglaubt, dass ein Anschlag vorbereitet werde oder schon im Gange sei. In dieser Situation habe er sich beauftragt gefühlt, dies zu verhindern. „Er wähnte sich in einer Mission, die Straßen wie mit einem Staubsauger langsam zu reinigen“, so Assenmacher.

Insgesamt sind in der Tatnacht 14 Menschen verletzt worden. Eine Frau ist dabei zweimal überfahren worden und schwebte vorübergehend in akuter Lebensgefahr. Nur dem Glück und dem medizinischen Können der Ärzte sei es zu verdanken gewesen, dass sie nicht verblutet ist. Die Opfer litten zum Teil bis heute unter den physischen und psychischen Folgen der Tat, sagte der Richter.

Zur Verantwortung gezogen werden könne der 50-Jährige jedoch nicht. Die Fähigkeit, das Unrecht einzusehen, ist laut Urteil komplett aufgehoben gewesen. Eine klassische Bestrafung komme wegen der sicher feststehenden Schuldunfähigkeit deshalb nicht in Frage. Wegen der Gefährlichkeit des 50-Jährigen müsse er jedoch in der geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden. Die Taten selbst werteten die Richter unter anderem als Mordversuch.

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