Pferdesportmesse in Essen Equitana – das Welt-Reiterstübchen

Essen · Die Pferdemesse in Essen bringt bis Sonntag Reiter, Pferde, Trainer und Stars aus allen Ecken der Welt zusammen. Rund 200 000 Besucher werden erwartet.

 Die berühmte Pferdetrainerin Kenzie Dysli mit ihrem aus „Ostwind“ bekannten Pferd Atila.

Die berühmte Pferdetrainerin Kenzie Dysli mit ihrem aus „Ostwind“ bekannten Pferd Atila.

Foto: Kinast

Ein kleines Mädchen in weißer Reiterhose rennt ungeduldig auf das Viereck zu, im Schlepptau einen gelangweilten Papa, der große Tüten mit Bandagen und Bürsten schleppt. Am Holzzaun steht eine Traube Teenies, die mal kichern, mal staunen. Szenen wie aus dem Durchschnittsreitstall, wie es sie in NRW zu Tausenden gibt: Da wird gelästert, bewundert, abgeguckt, geträumt. Nur dass hier im Sand keine Durchschnittsreitlehrerin steht, sondern die berühmte Trainerin Kenzie Dysli. Und das schwarze Pferd, das um sie herumspringt, ist ein Leinwandstar, bekannt aus den „Ostwind“-Kinoerfolgen. Die Pferdemesse Equitana verwandelt die Essener Messehallen derzeit in ein Welt-Reiterstübchen.

Dysli ist die Tochter des verstorbenen Schweizer Reitstars Jean-Claude Dysli, der das Westernreiten nach Europa geholt hat; sie lebt auf einer andalusischen Hacienda, die auch Ferienwohnungen anbietet. Wenn ihr weißer Sasou auf ein unsichtbares Zeichen auf sie zugaloppiert, um nur Zentimeter vor ihrem Gesicht zu stoppen, stehen die Zuschauer dichtgedrängt um den Showring.

Es ist ein Erlebnis für die 90 Prozent der Equitana-Besucher, die selbst reiten – insgesamt 200 000 Menschen werden bis zum Wochenende erwartet. Aber auch die anderen zehn Prozent können in die globale Reitkultur abtauchen. Zumindest bleiben auch jede Menge Reitermädchen-Papas stehen, als der Knall von Paulys Peitsche von den hohen Wänden der Messehalle zurückgeworfen wird. Der 34-Jährige ist vor einigen Tagen mit seinem Partner Jay (38) aus Australien eingeflogen. Die beiden wollen das Campdrafting – einen rein australischen Sport, bei dem Rinder zu Pferd durch einen Parcours getrieben werden – in Europa bekannt machen. Aber sie laden Europäer auch ins Outback ein, um wie ein „Stockman“ im Sattel zu arbeiten. „Manche Farmen bei uns sind größer als einige europäische Länder“, lacht Jay und ist sicher, dass dieses Erlebnis gerade für die Menschen im dicht besiedelten NRW heilsam wäre. „Sie sollten aber auch unsere Reitweise kennen lernen“, sagt Pauly. „Wir reiten unsere Pferde nicht nur, damit sie eine Stunde am Tag aus dem Stall kommen – sondern um zu arbeiten. Und es gibt doch keinen Grund, warum ein Dressurpferd nicht unerschrocken mit einem Peitschenknall umgehen können sollte.“ Mit den Plattformen www.horsesandcattle.com und www.horsehappening.com sollen die angeschlossenen Farmen in Down Under aber auch die Chance erhalten, sich ein zweites Standbein aufzubauen, um überleben zu können, wenn wie jüngst immer wieder Dürren oder Überschwemmungen ihr Land heimsuchen.

Amerikanische Wildpferde werden nach Europa gebracht

     Der australische Cowboy Jay lässt sich von Partner Pauly mit dem Lasso fangen.

Der australische Cowboy Jay lässt sich von Partner Pauly mit dem Lasso fangen.

Foto: Juliane Kinast

Andersherum funktioniert internationaler Austausch bei Silke Strussione und ihrem Team von „Mustang Makeover“: Sie holen die amerikanischen Wildpferde nach Europa und versuchen, hier ein Zuhause für sie zu finden - inzwischen für mehr als 120 pro Jahr, alles ehrenamtlich. Denn von ihnen gibt es dort durch strikte Schutzmaßnahmen mittlerweile viel zu viele – 80 000 statt der knapp 30 000, für die Platz wäre. „Das Erste, was Trump gemacht hat, war, die Erhaltungsmaßnahmen für die Pferde zu kürzen“, sagt die Pferdefrau. Zigtausende Mustangs harrten in Auffangstationen aus – wenn sie bei Versteigerungen nicht weggingen, führe ihr letzter Weg mitunter doch zur Schlachtbank.

Dass die Mustangs mehr sind als die Schädlinge, als die viele US-Amerikaner sie heute sehen, zeigt Trainerin Marie Heger in einem Showring mit dem nicht einmal dreijährigen Sangria, der aus einer solchen Auffangstation kam. Noch vor kurzer Zeit habe er sich nicht einmal berühren lassen, jetzt folgt er ihr am Strick und lässt sich durch kleine Körpersignale dirigieren. „Es ist unfassbar viel möglich mit ihnen“, sagt Heger. Das liege auch an natürlicher Auslese: „Da überleben nur die klügsten und fittesten.“ Vor Jahren hat Silke Strussione für sich selbst einen Mustanghengst nach Deutschland geholt – inzwischen ist der rappschwarze und todschicke Black Jack das Aushängeschild für „Mustang Makeover“. Für das Kern-Event der Organisation werden Ende April zum dritten Mal 15 Mustangs importiert und an 15 verschiedene Trainer gegeben; 100 Tage haben sie dann Zeit, mit den Tieren zu arbeiten, begleitet von zigtausend Fans in den sozialen Netzwerken. Dann präsentieren sie sich vor Publikum in einem Wettbewerb. Die Mustangs werden im Anschluss versteigert – im vergangenen Jahr für 7000 bis 20 000 Euro. „Die Leute haben verstanden, dass die Pferde das Geld wert sind“, sagt Strussione. Gewonnen hat das Makeover 2018 Marie Heger mit ihrem Pferd – gekauft hat es dann Silke Strussiones Mann. „Dabei gehörte es uns ja vorher“, sagt sie und schüttelt lachend den Kopf. Ein bisschen verrückt müssen Pferdeverrückte wohl sein.

Pferdeflüsterer Monty Roberts
gibt Autogramme

Das könnte man vielleicht auch über Lisa Gravenstein (20) und Pia Pagel (21) sagen. Erste kommt aus Paderborn, zweite sogar aus München. Zusammen extra nach Essen gereist, um ein Autogramm vom weltberühmten Pferdeflüsterer Monty Roberts zu ergattern. Der sitzt am Dienstagnachmittag an einem Messestand, Cowboyhut und blaues Hemd, braungebranntes Gesicht, und lächelt in unzählige Handykameras. „Er war der große Faktor, warum wir hergekommen sind“, sagt Lisa. Kaufen – im Allgemeinen der Kernzweck einer Messe – wollen die Freundinnen explizit nichts. „Wir haben extra kleine Taschen mitgenommen“, sagt Pia. „Unser Motto war: nur gucken.“

 Lisa (l.) und Pia  treffen ihr Idol: Pferdeflüsterer Monty Roberts.

Lisa (l.) und Pia  treffen ihr Idol: Pferdeflüsterer Monty Roberts.

Foto: Kinast

Auch diese „Kunden“ erlebt Dirk de Bock an seinem Stand von Krismar Horse Trucks natürlich. Er bietet dort einen Pferdetransporter für 50 000 Euro an, den man schon mit einem normalen Autoführerschein fahren kann. „Viele schauen, fassen an – vergleichen dann andere Produkte und kommen vielleicht später wieder“, erklärt der Niederländer. Gleich auf der Messe unterschreiben wollten allerdings die wenigsten.

Trotzdem ist die Equitana ein Pflichttermin für die Pferdewelt. Gleich ob man einen veganen Sattel aus Kork, einen Pferde-Whirlpool oder nur die Gerte fürs Reitermädchen verkaufen will – oder sich selbst und den Sport: Während der Pferdeflüsterer Autogramme schreibt, tönt aus der Showring-Halle nebenan die Mikrofonstimme der sechsfachen Dressur-Olympiasiegerin Isabell Werth, die eine Vorführreitstunde erteilt. Am Abend folgt Springreiter Ludger Beerbaum (viermal Olympia-Gold, mehrfach Welt- und Europameister). Das Welt-Reiterstübchen ist eben viel mehr als eine Messe.

 Marie Heger zeigt mit dem jungen Mustang Sangria, was die amerikanischen Wildpferde draufhaben. Beim „Mustang Makeover“ suchen sie ein neues Zuhause in Europa.

Marie Heger zeigt mit dem jungen Mustang Sangria, was die amerikanischen Wildpferde draufhaben. Beim „Mustang Makeover“ suchen sie ein neues Zuhause in Europa.

Foto: Juliane Kinast
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