Elisa Hoven: Rechtsempfinden ist kein Kriterium für Gerichte

Köln (dpa/lnw) - Das „Rechtsempfinden der Bevölkerung“ darf nach Ansicht einer Rechtswissenschaftlerin kein Kriterium für eine Gerichtsentscheidung sein. „Gerichte sind an Gesetze gebunden. In einer parlamentarischen Demokratie sollten die Gesetze ja Ausdruck dessen sein, was das Volk und seine Repräsentanten für richtig halten“, sagte Elisa Hoven, Professorin für Strafrecht an der Universität Köln, am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Dies gelte auch für die Entscheidung des nordrhein-westfälischen Oberverwaltungsgerichts, wonach die Behörden den abgeschobenen Islamisten Sami A. nach Deutschland zurückholen müssen.

Wenn bei der Politik der Eindruck entstehe, dass die Mehrheit der Bevölkerung mit diesem Urteil nicht einverstanden ist, dann müsse der Gesetzgeber reagieren, sagte Hoven. Denn der sei der Vertreter des Volkes und könne dann entsprechende Regelungen schaffen, die auf künftige Fälle anzuwenden seien. „Es ist nicht Aufgabe der Gerichte, sich zu überlegen, wie das Volk wohl urteilen würde.“

Abgesehen davon sei ja auch die Frage offen, was das Volksempfinden überhaupt ist. Um das verlässlich festzustellen, müsste man eine repräsentative Bevölkerungsumfrage machen, sagte Hoven. „Denn was laut und in den Medien kommuniziert wird, ist ja nicht immer die herrschende Meinung aller.“

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte der „Rheinischen Post“ (Donnerstag) gesagt: „Die Unabhängigkeit von Gerichten ist ein hohes Gut. Aber Richter sollten immer auch im Blick haben, dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen.“ Er bezweifele, dass das im Fall Sami A. geschehen sei.

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