Crowdfunding-Projekt Eine Bar in Händen der Genossenschaft

Köln · Das Projekt „Trink-Genosse“ in Köln hat schon hundert Interessenten gefunden und eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich beendet. Jetzt fehlt nur noch ein Standort.

  „Wie beim Wasserloch im Dschungelbuch“: (v. l.) Arno Stallmann, Jan Buckenmayer und Hilmar Korth sind Teil des Kernteams, das die Genossenschaft vorbereitet.

 „Wie beim Wasserloch im Dschungelbuch“: (v. l.) Arno Stallmann, Jan Buckenmayer und Hilmar Korth sind Teil des Kernteams, das die Genossenschaft vorbereitet.

Foto: Ekkehard Rüger

Im Grunde ist NRW das Land der Genossenschaften. Als im vergangenen Jahr der 200. Geburtstag des Genossenschaftspioniers Friedrich Wilhelm Raiffeisen gefeiert wurde, war von fast 400 genossenschaftlichen Neugründungen seit 2005 die Rede. In Köln wird die auf Gemeinschaftlichkeit angelegte Rechtsform gerade um eine eher unübliche Variante ergänzt: eine Bar als Genossenschaft.

Dass die Idee ursprünglich dem studentischen Milieu entsprang und als Genossenschaftsname der „Trink-Genosse“ gewählt wurde, führt auf eine naheliegende, aber dennoch falsche Spur: Denn bei dem vor fünf Jahren gestarteten und zwischenzeitlich nicht weiterverfolgten Projekt handelt es sich keineswegs nur um eine Schnapsidee trinkfreudiger Kommilitonen. Inzwischen ist eine Crowdfunding-Kampagne erfolgreich abgeschlossen, gut hundert Anteilseigner haben ihr Interesse an einer Mitglied­schaft bekundet und ein Genossenschaftsverband ist bereits mit der Wirtschaftlichkeitsprüfung befasst. Möglichst noch in diesem Frühjahr soll die Generalversammlung zur Gründung über die Bühne gehen.

Fasziniert von dem
basisdemokratischen Modell

Ausgangspunkt war weniger die Freude am Kneipenbesuch als die Faszination für die Genossenschaftsidee. Als sich die Studenten Jan Buckenmayer und Kai Berthold 2014 fragten, warum Wohnraum in Köln so teuer ist, stießen sie auf Wohnungsbaugenossenschaften, für Buckenmayer noch immer „das einzige probate Mittel, um bezahlbares Wohnen zu ermöglichen“. Aber die Rechtsform sei bei jungen Menschen kaum bekannt. Dabei war der heute 31-jährige Designer sofort von dem basisdemokratischen Mitbestimmungsmodell fasziniert: Jeder Anteilseigner hat eine Stimme, unabhängig von der finanziellen Beteiligung.

Daraus entstand die Idee, einen Begegnungsraum zu schaffen, gemeinschaftlich gestaltet, als Ort der politischen Diskussion und der demokratischen Experimente. „Alle kommen erst mal zum Trinken, wie beim Wasserloch im Dschungelbuch“, sagt Hilmar Korth (34), der später dazustieß. Aber weil alle Beteiligten die Genossenschaftsidee nur neben Beruf oder Studium verfolgen, ist ihm wichtig, „dass nicht das Gefühl entsteht, wir sitzen hier nur und quatschen“.

Darum greift das Kernteam von rund 15 Mitstreitern gerne zum Werkzeug der Visualisierung. Als die Frage anstand, wo die Bar denn angesiedelt werden sollte, durften alle auf einer Kölnkarte ihr Lieblingsviertel markieren. Die Vorschläge wurden digital übereinandergelegt und es entstand eine Art Hitzekarte, die auf einen Blick erkennen ließ, welche Lagen in der Gruppe am konsensfähigsten sind. Der Vorteil: Eine Abstimmung mit Gewinnern und Verlierern wurde vermieden. „Jeder hat das Gefühl, auch seine Meinung ist wirklich mit eingeflossen“, sagt der Filmdramaturg Arno Stallmann (29). Die Genossenschaft als Lehranstalt für tragfähige Kompromisse.

Mitte Oktober startete „Trink-Genosse“ seine Crowdfunding-Kampagne. Bis zum Abschluss Ende November kamen 55 900 Euro zusammen. Gut einhundert Interessenten an einer Mitgliedschaft hatten 200 Anteile à je 250 Euro gekauft. Noch liegt das Geld auf einem Treuhänderkonto, denn erst muss die Genossenschaft gegründet sein. Aber mit der Kampagne kam nicht nur das Startkapital zusammen, sondern auch die Fertigkeiten der potenziellen Mitglieder: Die Altersstruktur hat sich erweitert, auch das Spektrum des verfügbaren Know-hows: Eine Polsterin ist dabei, ein Messebauer und ein Bankkaufmann in der Ausbildung.

Werben für die Genossenschaftsidee als solche

Was noch fehlt, ist jetzt ein geeignetes Objekt. Rund zehn mögliche Räume hat „Trink-Genosse“ schon im Blick, aber noch bitten die angehenden Genossenschaftler darum, ihnen Leerstände in der Stadt zu melden oder anderweitige Vorschläge für einen möglichen Standort zu machen. „Vielleicht hat auch ein Wirt Interesse daran, seine Gaststätte an die Genossenschaft abzugeben und dann selbst Anteile zu erwerben“, sagt Stallmann. Die Erwartung ist, noch in diesem Jahr eine Bar zu finden und zu eröffnen.

Derzeit wird an digitalen Lösungen gearbeitet, wie die Genossenschaft künftig auch außerhalb traditioneller Versammlungen kommunizieren und sich abstimmen kann. Und weil das Ziel des Projekts nicht nur die Bar ist, sondern auch das Werben für die Genossenschaftsidee als solche, sind ein Wiki oder eine andere Veröffentlichung geplant zu Wegen und Irrwegen, Methoden und Erfahrungen, um möglichen Nachahmern manche vergeblich investierte Stunde zu ersparen.

Der Erfolg des Crowdfundings hat den Druck erhöht. „Ein Freund hat gesagt: Jetzt muss die Sache laufen, sonst brauchst du dich in der Stadt nicht mehr blicken lassen“, erzählt Hilmar Korth und lacht. Trotzdem sei er nach der Durststrecke der Kampagne jetzt wieder euphorisch. So geht es auch Jan Buckenmayer: „Ich fühle mich total leicht, weil der Trink-Genosse jetzt beginnt.“ Während sich draußen auf den Straßen Kölns gerade das Verkehrschaos nach dem heftigen Schneefall auflöst, fasst Arno Stallmann, bei dem Projekt in die Rolle des Pressesprechers gerutscht, die Stimmung so zusammen: „Bei uns ist jetzt Frühling.“

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