Jugendfußball „Auf- und Abstieg muss erhalten bleiben“

Der U17-Bundesliga-Trainer bei der SG Unterrath steht den Reformplänen des Deutschen Fußball-Bundes kritisch gegenüber.

 Philipp Kaß trainiert das Unterrather Bundesliga-Team.

Philipp Kaß trainiert das Unterrather Bundesliga-Team.

Foto: RP

Die vom DFB eingesetzte Kommission „Projekt Zukunft“ legte kürzlich Reform-Ideen für den Jugendfußball vor. Unter anderem sollen die Jugendfußball-Bundesligen ab 2022/23 einem in sich geschlossenen Spielsystem einzig aus Vereinen mit Nachwuchsleistungszentrum (NLZ) weichen. Philipp Kaß, U 17-Bundesliga-Trainer bei der SG Unterrath, steht den Plänen kritisch gegenüber.

Was genau missfällt
Ihnen an den Plänen?

Philipp Kaß: Ich empfinde es als wichtig, dass es sportliche Wettkämpfe mit Auf- und Abstiegen gibt. Eine Abschaffung halte ich nicht für zielführend.

Was wären die Folgen für einen Verein wie die SGU ohne NLZ?

Kaß: Wir würden nicht mehr gegen die Top-NLZ spielen. Wir würden die Spieler im Jugendbereich nicht mehr von der SGU überzeugen können, wie es heute der Fall ist. Das hat mittelfristig Auswirkungen bis hoch in unsere erste Senioren-Mannschaft. 

Ein Argument der Reformer ist, dass mit dem neuen Spielsystem der Ergebnisdruck durch den wegfallenden Abstieg von den Spielern genommen werde.

Kaß: Ich bin bei diesem Ansatz skeptisch. Überspitzt formuliert: Wollen wir den Talenten jetzt den Ergebnisdruck nehmen, damit sie später im Seniorenbereich besser mit dem Druck zurechtkommen, urplötzlich zum Beispiel in Dortmund vor 80 000 Zuschauern funktionieren zu können?

Der vorgeschlagene Modus wirkt auf den ersten Blick kompliziert, er erinnert an die Nations League mit verschiedenen Divisionen, bei denen es doch Auf- und Abstiege gibt.

Kaß: Der Reformschritt ist fragwürdig, sichert er doch vor allem den Status Quo für die Top-Vereine mit NLZ ab.

Inwiefern wären Sie als Trainer freier in Ihrer Aufstellung und Taktik, wenn man nicht um den Klassenerhalt bangen muss?

Kaß: Es mag sein, dass ich eine gewisse Freiheit hätte. Ich bin mir aber nicht sicher, ob ich diese wirklich nutzen wollen würde, denn ich möchte zuvorderst jedes Spiel gewinnen.

Was halten Sie von der angedachten Unterteilung der Spielzeit in Drittel mit Pflicht-Einsatzzeiten für den gesamten Kader?

Kaß: Der Gedanke ist wiederum gar nicht schlecht, wenn die Trainer dazu verpflichtet würden, alle Spieler einzusetzen. Durch höhere Einsatzzeiten und dadurch eine entsprechende Förderung hätten wir auf einen Schlag mehr Talente als heute.

Sehen Sie grundsätzlich zwingenden Reformbedarf mit Blick auf die aktuellen Wettbewerbe?

Kaß: Am aktuellen System würde ich festhalten, stattdessen aber am Bundesliga-Label ansetzen. Dieser Begriff sorgt sowohl bei den Spielern als auch bei den Vereinen für einen stärkeren Druck und eine große Erwartungshaltung. Man könnte die drei aktuellen Staffeln beispielsweise in Regionalligen umbenennen.

Es gibt Stimmen, die lieber eine eingleisige Bundesliga sähen statt drei Staffeln wie bisher.

Kaß: Dann würden wir die ohnehin schon beanspruchten Talente noch mehr fordern, indem wir sie auf weite Fahrten durch das ganze Land schicken.

Ist die Belastung für die Jugendspieler derzeit zu groß?

Kaß: Auf der NLZ-Ebene definitiv, das System ist dort deutlich überreizt. Man könnte überlegen, den Spielern die eine oder andere Trainingseinheit zu ersparen und stattdessen auf Regeneration setzen. Eine oder zwei ausfallende Einheiten machen den Spieler nicht schlechter.

Wäre es ein Ansatz, die internationalen Wettbewerbe abzuschaffen?

Kaß: Es wäre sicher ein Ansatz, die Turnier-Intervalle auch im Jugendbereich entsprechend anzupassen.

Wäre es für die SGU machbar, auf ein System mit hauptamtlichen Trainern umzustellen?

Kaß: Die Entwicklung geht bereits in diese Richtung. Viele Trainer sind bereits hauptamtlich tätig, und das ist auch gut so. Bei uns wäre das aber in allen Altersklassen vermutlich finanziell kaum stemmbar.

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