Zwölfjährige trank sich in die Klinik

Das jüngste Alkoholopfer an Karneval 2013 passt in den Trend: Betroffen sind immer jüngere Jugendliche und mehr Mädchen.

Zwölfjährige trank sich in die Klinik
Foto: dpa/EVK

Düsseldorf. Das zwölf Jahre alte Mädchen war am Karnevalssonntag im vergangenen Jahr mit ihren Freundinnen losgezogen. „Sie tranken Schnaps“, berichtet Dr. Antje Werthmann-Aders, Oberärztin in der Kinder- und Jugendklinik am Evangelischen Krankenhaus (EVK). Bei der Medizinerin landete die junge Trinkerin später mit 1,3 Promille. „Das ist schon ordentlich bei einem so jungen Körper“, sagt Werthmann-Aders. Die Zwölfjährige war unterkühlt, aber immerhin noch ansprechbar. Sie hatte Glück: Eine Freundin reagierte richtig, verständigte Eltern und Polizei. Ein Rettungswagen brachte das Mädchen ins Krankenhaus.

Zwölfjährige trank sich in die Klinik
Foto: nn

Die Zwölfjährige war nicht nur das jüngste von 25 Alkoholopfern, die allein an den tollen Tagen 2013 im EVK stationär behandelt werden mussten. Sondern auch von den 78 Komatrinkern unter 18 im gesamten Jahr. Die Gesamtzahl liegt unverändert auf einem hohen Niveau: Sie war zuvor stark angestiegen von 38 Patienten im Jahr 2010 über 54 (2011) auf sogar 84 im Jahr 2012.

Nicht nur die Fallzahlen schockieren Antje Werthmann-Aders: „Früher hatten wir eher 15- und 16-Jährige als Patienten, heute sind 13- und 14-Jährige die Regel.“ Immer öfter sind es Mädchen. Aber auch der Zustand, in dem die Jugendlichen oft sind, erschreckt die Ärztin. „Viele von ihnen sind gar nicht mehr ansprechbar, zutiefst komatös.“ Schutzreflexe fehlten dann komplett. „Viele liegen am Straßenrand im Gebüsch, wenn sie gefunden werden. Das finde ich schrecklich.“ Die meisten seien dadurch auch unterkühlt. Sie erinnert sich an einen 15-Jährigen, den eine Passantin betrunken auf den Straßenbahnschienen fand — mit nur noch 34,7 Grad Körpertemperatur.

Gefährlich ist der Vollrausch aber laut der Medizinerin auch über den akuten Zustand hinaus: „Je jünger der Patient ist, umso größer ist die Suchtgefahr.“ Denn das Gehirn eines Jugendlichen „lerne“ Sucht noch wesentlich rascher.

Immerhin eine positive Entwicklung hat Werthmann-Aders ausgemacht: „Ich habe den Eindruck, dass die Jugendlichen sich besser umeinander kümmern.“ Die meisten Alkoholleichen, die im EVK landeten, kämen in Begleitung von Freunden, die Verantwortung übernehmen. Und: Die meisten sieht die Ärztin nicht wieder. „Es gibt vereinzelte Fälle, die immer wieder auftauchen — aber das sind dann die, wo es andere soziale Probleme gibt und das Jugendamt oft schon eingeschaltet ist.“ Dem überwiegenden Teil reiche eine Nacht der Ausnüchterung als Grenzerfahrung.

Trotzdem wird das Team der Kinder- und Jugendklinik, die die meisten jungen Trinker aufnehmen muss, an den tollen Tagen, die in genau zwei Wochen starten, wieder verstärkt: Ein zusätzlicher Arzt wird vor Ort sein, in zehn Zimmern bauen die Mitarbeiter Matratzenlager auf. Denn mit jungen Jecken, die über die Stränge schlagen, rechnet man im EVK auch in diesem Jahr.

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