Zwei Wahlverwandte erklären die Kunst

Der Dichter Cees Nooteboom und der Fotokünstler Axel Hütte diskutierten im Schumann-Saal über ihren Zweiklang in der Bild-Kunst.

Zwei Wahlverwandte erklären die Kunst
Foto: Katja Illner

Der Schriftsteller Cees Nooteboom ist 84 Jahre alt, eher klein, freundlich, gemütlich, stets zum Reden bereit. Der Fotokünstler Axel Hütte ist 66 Jahre alt, groß und schlank: Und er hätte am liebsten auf dem Podium im Robert-Schumann-Saal geschwiegen. Das durfte er jedoch nicht, denn das Gespräch sollte zugleich für seine große Ausstellung im Kunstpalast auch bei Literaturfans werben. So saßen sie denn nebeneinander, Nooteboom als Stichwort-Geber, Fragender und Erklärender. Und Hütte, der am liebsten zugehört hätte. Dennoch präsentierten sie sich im Zweiklang.

Cees Nooteboom, Dichter

Nooteboom erzählte vor all den ehrfürchtig lauschenden Zuhörern: „Axel Hütte und ich haben nicht die gleichen Reisen gemacht. Wir waren auf denselben Kontinenten, aber nicht immer in denselben Ländern.“ Mit diesen Sätzen beginnt zugleich das Buch „Kontinente“ im Schirmer-Verlag, in dem die beiden reisenden Künstler zwischen zwei Klappendeckeln erstmals vor 17 Jahren zusammenkamen.

Der Literat betonte, dass sich seine Wort-Bilder nicht unbedingt mit den Fotos decken müssen. Aber Texte wie Fotos würden einen Ort, ein Irgendwo, ein Irgendwann festhalten. Es kam einer Liebeserklärungen gleich, als der Dichter sagte: „Ich bin in seinen Fotos gereist, und er in meinen Geschichten.“ Sein wortkarges Gegenüber hätte dem Plenum durchaus sagen können, dass er die Bücher seines Freundes bis in die Antarktis mitnimmt, als Wegbegleiter.

Dichter und Fotograf sind keine Zwillinge. Nooteboom definierte die Arbeit des Fotografen, indem er betonte, er dürfe sich selbst ausklammern und damit die Einsamkeit, Verlorenheit, Kraft oder Majestät einer Landschaft verstärken. Fotografie sei eine intensivere Art des Sehens. Ein Fotograf sehe keine Landschaften, er sehe Fotos, Bilder von der Wirklichkeit, so wie sie dann vielleicht auf einem Foto abgebildet werden. Hüttes Gegengabe: Er erhalte durch seine Dichtung gleichfalls Bilder, die sich festsetzen.

In einem ähneln sich die Werke der Beiden. Sie präsentieren eine stille Welt, mag sie nun in irgendeinem Flecken von Japan, in einer Flusslandschaft, im Urwald oder in einer „leeren Ebene“ liegen, wie es der Dichter nennt. Dabei brachte der Ältere dem Jüngeren eine tiefe Sympathie entgegen, wenn er sagte: „Es gibt unendlich viele Blätter, die alle auf einem deiner Bilder sind. Und ich frage mich: Wie lange stehst du da?“ Axel erwiderte: „Schriftsteller beobachten und sammeln. Der Fotograf sucht, bis er die Situation am Ort hat. Und er stellt fest, dass da plötzlich ein Bild entsteht.“ Dass er dazu Tage und Wochen braucht, sagte er nicht.

Den Zuhörern zuliebe wurde natürlich auch etwas gefachsimpelt. Über Karl Blossfeldt etwa, dessen streng-formale Pflanzenfotografie beispielgebend für den Stil der Neuen Sachlichkeit wurde, bis zu August Sander, der mit seinem Bildatlas „Menschen des 20. Jahrhunderts“ auch Hüttes Lehrer Bernd Becher beeinflusst hat. Nur selten fielen Plattitüden, dass etwa der Leser über die Lektüre nachdenken sollte. Oder dass sich der Fotograf in die „Realität des Raumes“ begeben müsse.

Die Zuhörer waren begeistert. Auf dem Nachhauseweg erlebten sie allerdings die raue Wirklichkeit, denn vom Regen waren alle Wege im Ehrenhof aufgeweicht.

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