Aquazoo Zwei Frauen und ihre Faszination für Quallen

Düsseldorf · Verena Meis und Kathrin Dreckmann befassen sich meistens mit Kultur. In ihrem Qualleninstitut aber verbinden sie ihre eigene Wissenschaft mit Meerestieren.

 Verena Meis (links) und Kathrin Dreckmann im Aquazoo.

Verena Meis (links) und Kathrin Dreckmann im Aquazoo.

Foto: Carolin Scholz

Langsam wabern sie durch das Becken. Nehmen Wasser auf und stoßen sich wieder ab. Sie sind fast durchsichtig. Der schlanke Körper wirkt geschmeidig und glatt. Ihre weichen Bewegungen erinnern an die einer Ballerina. Quallen sind faszinierende Lebewesen. Ohne Hirn und Herz. Ohne Kopf und Knochen. Verena Meis und Kathrin Dreckmann haben sich die Quallen zum Forschungsgegenstand gemacht. In ihrem Qualleninstitut nähern sie sich den gallertartigen Tieren. Dabei sind sie keine Meeresbiologinnen.

Sie kommen aus einer anderen Richtung. Kathrin Dreckmann ist Studienrätin am Institut für Medien- und Kulturwissenschaft der Heinrich-Heine-Universität, Verena Meis ist Literatur- und Theaterwissenschaftlerin und arbeitet als Dramaturgin am Forum Freies Theater (FFT). Die Qualle als Forschungsgegenstand begegnete den beiden durch Zufall. „Wir waren gemeinsam im Urlaub und konnten nicht im Meer schwimmen gehen, weil es eine Warnung vor Feuerquallen gab“, erinnert sich Meis. Statt sich darüber zu ärgern, begannen die beiden Wissenschaftlerinnen, genauer über die Quallen nachzudenken – aus dem Blickwinkel ihrer eigenen Forschung.

So entstand 2012 das Qualleninstitut. „Es heißt zwar Institut, hat aber keinen festen Ort“, sagt Dreckmann. Vielmehr sehen sie sich als interdisziplinäre Stätte zwischen Kunst, Wissenschaft und Medien. Denn mit den Quallen setzen sich immer wieder nicht nur Meeresbiologen auseinander. Sie sind oft auch Thema in Literatur, Musik, Kunst oder Film. Ihre Erkenntnisse, aber auch eigene künstlerische Auseinandersetzung – mal als Klangperformance, mal mit Video, mal als künstlerisch-wissenschaftlicher Vortrag – bringen sie dann auf Festivals, selbst organisierten Tagungen oder auch Fachkongressen vor Publikum. Immer wieder kooperieren sie auch mit anderen Einrichtungen, wie etwa dem Aquazoo.

Erst im November waren sie in Kapstadt beim „International Jellyfish Blooms Symposium“, einer Konferenz, bei der sich Biologen aus aller Welt treffen und sich über Quallenforschung austauschen. Ihre Performance am Eröffnungsabend war eine der für so eine Konferenz ungewöhnlicheren Herangehensweisen an das Thema. Aus so einer Perspektive habe man Quallen noch nie betrachtet, war dort die Rückmeldung mancher Forscher.

Dabei ist dieses Zusammenspiel von Naturwissenschaft und Kunst nicht unbedingt neu. Schon im 18. und 19. Jahrhundert seien bei Expeditionen von Wissenschaftlern, die Meerestiere erforschen wollten, immer wieder Künstler dabei gewesen –  um die gesehenen Tiere zu malen. Und wenn diese Zeichnungen und Malereien auch dokumentarischen Zwecken dienten: Das Auge und die Interpretation des Künstlers habe die Erkenntnisse  – etwa über Quallen – mit beeinflusst.

Diese Überschneidung finden die Forscherinnen interessant. Und die Qualle ist dabei auch gewissermaßen eine Metapher für ihr Vorhaben. „Uns interessiert zum Beispiel das Tentakuläre der Qualle“, sagt Dreckmann. Wie Quallen ihre Arme ausstrecken und so auch in andere Bereiche vordringen, ist das, was auch Dreckmann und Meis bei ihrer Forschung tun wollen.

Auch in anderen Bereiche ihrer Arbeit dient ihnen das glibberige Meerwesen als Denk-Figur. Dreckmann, die sich auch mit Gender- und Geschlechter-Forschung befasst, kann die Qualle dabei immer wieder nutzen. „Die Qualle ist ein queres Wesen.“ Es gebe fünf verschiedene Identitätsstadien. Die Tiere können sich selbst, aber auch gegenseitig befruchten. Das zeige, dass es in der Natur durchaus Wesen gebe, die sich nicht in die typischen zwei Geschlechterkategorien männlich und weiblich einteilen lassen.

Wie groß das Interesse an ihrer Forschung sein würde, hätten sich Verena Meis und Kathrin Dreckmann in ihrem Urlaub mit Badeverbot nicht träumen lassen. Doch mittlerweile gebe es immer mehr Anfragen. Auch für das kommende Jahr sind schon verschiedene Projekte geplant. Sie wollen etwa ein Spiel entwickeln, das sich mit der Qualle in Zusammenhang mit Umweltschutz befasst. Auch Reisen nach Chile und Japan sind geplant. Gerade in Japan gebe es große Aquarien mit vielen Quallenarten, die fast meditativ gestaltet sind.

Die Forscherinnen werden also auch weiter ihre Tentakel ausstrecken.

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