Zwei Hände gegen eine Bombe

Jost Leisten hat den Zünder der Rather Bombe eigenhändig zerlegt. Zuvor hatten 1550 Anwohner ihre Häuser verlassen.

Düsseldorf. An den Klingelleisten der schicken Häuser entlang der Reichswaldallee pappen Zettel der Stadt: "Achtung! Unbedingt beachten! Bombenentschärfung". Streifen des Ordnungsdienstes klappern die Häuser entlang der Oberrather Straße ab, schellen an den Türen - die im Idealfall niemand mehr öffnet. Um auch jene zu erreichen, die sich an diesem Montagmorgen noch in ihren Wohnungen verschanzen, fährt ein Feuerwehrfahrzeug mit Lautsprecher durch die menschenleeren Straßen: "Hier spricht die Feuerwehr. In Ihrem Stadtteil wird heute eine Bombe entschärft..."

Ab 9.30 Uhr sperren 130 Einsatzkräfte von Stadt, Polizei, Feuerwehr und den Hilfsorganisationen den Gefahrenbereich A 500 Meter um das Rather Waldstadion, wo die Zehn-Zentner-Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg am Donnerstag entdeckt wurde, von innen nach außen ab. Ein Rheinbahnbus bringt die Anwohner aus der Sperrzone.

1550 Menschen müssen ihre Häuser verlassen - sogar eine 100-Jährige, die mit dem Krankenwagen abgeholt wird. Luise Knoll und ihr Mann sind erst am Vorabend aus dem Urlaub gekommen. "Hätten wir das gewusst, wären wir einen Tag länger geblieben", sagt die 77-Jährige, die jetzt auf dem Schulhof des Rückert-Gymnasiums - der offiziellen Anlaufstelle der Feuerwehr - mit mehr als 50 weiteren Anwohnern sitzt und auf die Entwarnung wartet.

"Ich hatte am Samstag Abi-Party und danach bis heute Morgen durchgeschlafen", sagt Nils Thanscheidt (20), den das Ordnungsamt aus dem Schlaf geklingelt hat. Bis zu seinem Abi war er selbst Schüler am Rückert-Gymnasium: "So kann ich mir direkt eine Kopie vom Abi-Zeugnis abholen", sagt er.

Derweil muss Entschärfer Jost Leisten in der Sandgrube am Waldstadion eine Viertelstunde in praller Sonne schwitzen. Mit der Hand dreht er den Zünder langsam aus der amerikanischen Fliegerbombe. Er muss aufpassen: Die Amerikaner versteckten manchmal Schlagbolzen, die eine Detonation herbeiführen sollten, wenn am Zünder geschraubt wurde. Doch alles geht glatt.

"Der Zünder ließ sich problemlos herausdrehen", berichtet Leisten um kurz vor zwölf, während der Verkehr über die Sankt-Franziskus-Straße schon wieder rollt. Weit über 200 Bomben hat der 50-Jährige schon entschärft: "Schlaflose Nächte habe ich nicht, aber man ist immer froh, wenn es vorbei ist."

Als die Bombe mit dem Bagger aus dem Baukrater gezogen wird, steht neben Leisten auch Ferdinand Pitz. Der Baggerfahrer (58) war am Donnerstag auf die Bombe gestoßen. "Langsam ist es Routine. Ich habe schon zehn Stück ausgebuddelt." Und gerade im Aaper Wald wird es wohl nicht die letzte gewesen sein. Leisten: "Hier liegen garantiert noch viele Blindgänger."

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