Geburtshilfe Zu wenig Hebammen - Kreißsaal in Düsseldorf bleibt zu

Düsseldorf · Die Düsseldorfer Klinik muss werdende Mütter abweisen, weil zu wenig Hebammen da sind. Kein Einzelfall. Laut des Verbandes der Hebammen droht in NRW mancherorts ein Notstand.

Die Suche nach Ersatzpersonal blieb laut Klinikleitung bisher erfolglos. Der Kreißsaal des Sana Krankenhauses Gerresheim wird voraussichtlich bis Ende des Jahres geschlossen bleiben.

Die Suche nach Ersatzpersonal blieb laut Klinikleitung bisher erfolglos. Der Kreißsaal des Sana Krankenhauses Gerresheim wird voraussichtlich bis Ende des Jahres geschlossen bleiben.

Foto: dpa

Bei Lydia Mitzke (Name geändert) kann es jederzeit losgehen: Die Düsseldorferin ist hochschwanger. Wie die meisten Frauen hat sie sich gründlich Gedanken gemacht, wo ihr Baby zur Welt kommen soll – und sich für die Sana-Klinik im Stadtteil Gerresheim entschieden. Sie meldete sich dort an – doch jetzt rief sie eher zufällig wegen einer kleinen Nachfrage dort an und erfuhr, dass der Kreißsaal geschlossen ist. Entbindungen nicht möglich. Wegen akuten Hebammenmangels. Laut dem Landesverband Deutscher Hebammen ein Problem, das sich mancherorts in NRW zum Notstand auswächst.

„Ich war völlig vor den Kopf geschlagen“, sagt Lydia Mitzke. Sie fragt sich, was passiert wäre, wenn sie unter Wehen in „ihr“ Krankenhaus gekommen wäre. Laut Sana-Klinik wird derzeit ein „Storchentaxi“ angeboten, um werdende Mütter gratis ins Sana-Krankenhaus in Benrath zu bringen – fast eine halbe Stunde Autofahrt entfernt.

Acht Hebammen, drei sind krank, eine im Mutterschutz

Drei Vollzeit-Hebammen seien derzeit erkrankt, eine weitere in Mutterschutz gegangen. „Versuche, unser Hebammen-Team aufzustocken, haben leider bislang nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt, da auch Düsseldorf vom bundesweiten Hebammenmangel betroffen ist“, sagt eine Kliniksprecherin – man habe eigentlich aber alle angemeldeten Mütter kontaktiert. „Wir gehen seit Jahren auf dem Zahnfleisch“, sagt eine der Hebammen am Gerresheimer Krankenhaus gegenüber dieser Zeitung. „Der Personalschlüssel gibt keinen Puffer mehr her.“ Bisher seien die Kolleginnen stets füreinander eingesprungen, aber bei vier Ausfällen in einem achtköpfigen Team sei das nicht drin: „Das ist nicht kompensierbar.“ Eine dauerhafte Schließung des Kreißsaals wollten sie und ihre Kolleginnen aber auf keinen Fall: „Wir alle lieben unseren Beruf und wollen den wichtigen Standort erhalten.“ Allerdings mit verlässlichem Dienstplan.

Vor diesen Problemen stünden Kliniken in der ganzen Republik, sagt Nina Martin vom Bundesverband der Hebammen in Berlin. Grund sei aber nicht nur der generelle Mangel an Geburtshelferinnen, sondern auch die schlechten Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern: „Die Hebammen wollen da nicht arbeiten.“ In England etwa sei eine 1:1-Betreuung Standard – in Deutschland laufe eine Hebamme zwischen vier, fünf oder sogar sechs Frauen hin und her. Kreißsäle seien für die Krankenhäuser wirtschaftlich unattraktiv: Pro Entbindung gebe es von den Krankenkassen eine Pauschale – allerdings sei die immer gleich hoch, egal ob eine Geburt drei oder 40 Stunden gedauert hat. „Man kann das nicht durchtakten wie Blinddarm-Operationen“, sagt Martin.

NRW: In einem Jahr 40 drohende Kreißsaal-Schließungen

Seit 1990 habe die Zahl der Kreißsäle in Deutschland um 40 Prozent abgenommen – „obwohl die Geburtenzahlen wieder auf einem hohen Niveau sind“, so Martin. Auch der NRW-Landesverband schlägt Alarm: „Wir haben ein fürchterliches Problem und es nimmt immer mehr Fahrt auf“, sagt die Vorsitzende Barbara Blomeier. Der Engpass in der Geburtshilfe drohe nicht mehr nur, „wir sind schon mittendrin“. In Höxter etwa stehe die einzige geburtshilfliche Abteilung des gesamten Kreises vor dem Ende – dort gäbe es dann keinerlei Versorgung mehr.

Seit einem Jahr bietet der Landesverband eine Beratung für Kreißsaal-Teams in der Krise an, seither kamen aus NRW 40, deren Geburtshilfe kurz vor der Schließung stand. Und: „Nicht alles konnten wir retten“, sagt Blomeier. Für Kliniken, die einmal in dem Ruf stünden, Schwierigkeiten im Kreißsaal zu haben, sei es besonders schwierig, weil Hebammen heutzutage nun einmal freie Auswahl beim Job haben und dort nicht anfangen wollen.

Andere Krankenhausbetreiber nehmen den Nachwuchs selbst in die Hand. So unterhält die Helios Kliniken GmbH am Universitätsklinikum Wuppertal eine eigene Hebammenschule – und hat dort alle Stellen besetzt. In der Krefelder Helios-Klinik wurden im vergangenen Jahr auch erfahrene Hebammen aus Italien angestellt, um das Team zu verstärken. „Dennoch ist der Fachkräftemangel gerade bei den Hebammen deutlich spürbar“, so eine Sprecherin. Der Kreißsaal der Klinik Niederberg in Velbert musste im August wegen eines personellen Engpasses für einige Tage geschlossen werden – auch jetzt noch werden dort Hebammen gesucht.

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