Kolumne : Die Ausgeh-Sensation (m)einer Generation
Düsseldorf Düssel-Flaneur Am Donnerstag zum „Schwoof im Zakk“, am Wochenende an die Liefergasse zwischen Wolke und Kneipe: Unser Autor erinnert an Ausgeh-Orte der späten 80er und frühen 90er.
Aufregend, so was: Jeder Abend kann alles bringen – oder gar nichts. Es ist 1987 oder 1988, und Ihr seid gerade 16 oder 17 geworden und beginnt auszugehen. Richtig auszugehen. In den vergangenen Jahren wart Ihr auf privaten Feten in Partykellern oder Gemeindesälen oder draußen am Rhein unterwegs. Jetzt kommen die Kneipen, und jetzt kommen die Discos. Meistens beginnt der Ausgehabend schon um 19 Uhr, denn noch müsst Ihr bis Mitternacht zu Hause sein – so will es das Gesetz, und so wollen es die Eltern. Die ersten Anlaufstationen heißen Wolke und Kneipe. Zwei Altstadtlokale an der kopfsteingepflasterten Liefergasse, die an der Mühlenstraße beginnt und den Verlauf der Düssel querend an der Ratinger Straße endet.
Warum gerade hier? Einer von euren Freunden hat es vorgeschlagen, weil er welche kennt, die ein oder zwei Jahre älter sind und sich ebenfalls an der Liefergasse treffen, und die müssen es ja wissen, denn zwei Jahre sind verdammt viel, wenn man 16 oder 17 ist und möglichst schnell 18 werden will. Wolke und Kneipe sind in der zweiten Hälfte der Achtziger bei ausgehfreudigen Teenagern und Anfang-Zwanzig-Jährigen extrem beliebt. Nicht nur das: Unter der Woche ist die Wolke ein Auffangbecken für diejenigen, die auf eine der altstadtnahen Schulen gehen. Sie trinken einen Nachmittags-Kakao mit Sahne, machen dabei ihre Hausaufgaben, und danach spielen sie eine Partie Billiard. Wolke und Kneipe sind keine schicken Szenelokale, vielmehr rustikale Musikkneipen – ähnlich wie die um die Ecke gelegenen Lokale Pille, Pinte, Zwiebel und Till Eulenspiegel, jedoch mit vergleichsweise jüngeren Gästen. Dennoch ist es an den Wochenenden für Unter-18-Jährige je nach Uhrzeit und Gästeaufkommen gar nicht so einfach, in die Wolke reinzukommen. Also weicht Ihr oft in die zwei Häuser entfernte Kneipe aus. Dort gibt es den Stress nicht an der Tür, sondern im Bierkeller. „Stress“, so heißt bis heute das patentierte Hausgetränk des Lokals: Ein Schnaps, der – so munkelt man – Tabasco enthält und bestimmt fünf Minuten nachbrennt. Für einen 16- oder 17-Jährigen, der lieber cool sein will, als das Gesicht zu verziehen, durchaus eine Mutprobe, zumindest eine Herausforderung.
An den meisten Wochenenden gelingt Euch der Einlass in die Wolke aber doch. Ihr könntet euch dann rechts halten, wo der ruhigere und passenderweise „Nebenan“ genannte Teil des Lokals ist und die Gäste etwas älter sind. Meistens jedoch strebt Ihr nach links, krault zu Songs wie „Love Cats“ von The Cure, „Kiss“ von Prince oder „Yé ké yé ké“ von Mory Kante durch die Dicht-an-Dicht-Wogen. Die Stimmung: Rheinischer Frohsinn trifft Alkohol trifft „Vielleicht lerne ich heute jemand kennen“-Attitüde. Ein zivilisierter Exzess, 25 Jahre vor Tinder. Stets ab 21 Uhr wird in der Wolke der Billardtisch an den Rand gerückt und mit Hilfe einer Abdeckplatte in einen Tisch verwandelt. Wenn Ihr vorbei an der so frei gewordenen „Tanzfläche“ in der Raummitte das hintere linke Ende der Theke erreicht, bestellt Ihr bei Theo eine Runde Getränke. Es gibt Gatzweilers Alt und Königs Pilsener, und es gibt Genever. Theo ist acht oder neun Jahre älter als Ihr. Er zapft und legt Platten auf. DJ und Barmann in einem. Eine Songlänge Zeit für den Service und einen Plausch mit den Stammgästen, dann schnell die nächste Platte raussuchen – und wieder von vorn.