37-jährige Düsseldorferin Die Schuhmacherin, die das Handwerk hip macht

Düsseldorf · Karina Ranft hat sich an der Heyestraße in Gerresheim als „Schuhstylistin“ selbstständig gemacht. Die 37-Jährige repariert laut Handwerkskammer als einzige Frau in Düsseldorf Schuhe.

 Die Schuhmacherin Karina Ranft hat an der Heyestraße ihr Geschäft eröffnet. Sie ist laut Handwerkskammer die einzige Schuhmacherin in Düsseldorf.

Die Schuhmacherin Karina Ranft hat an der Heyestraße ihr Geschäft eröffnet. Sie ist laut Handwerkskammer die einzige Schuhmacherin in Düsseldorf.

Foto: ja/Arnold

Wie ein Farbklecks im tristen Grau wirkt das kleine Ladenlokal an der Heyestraße. Mit den großen Scheiben, die den Blick auf bunte Wände und alte Maschinen freigeben und den weißen Sneakern mit dazu passenden Ringelsocken im Schaufenster kommt die Werkstatt von Karina Ranft dem gängigen Klischee eines düsteren Schuhmacherbetriebs nicht ansatzweise nahe. Die 37-Jährige hat ihren Laden offen gestaltet, will sich nicht wie viele andere Betriebe abschotten und Kundenannahme und Werkstatt trennen. „Ich will zeigen, was ich mache. Und ich freue mich über jeden, der reinkommt, sich das anschaut und Fragen stellt“, sagt sie.

Laut Handwerkskammer ist Karina Ranft die einzige Schuhmacherin in Düsseldorf. Doch sie insistiert: „Ich bin mir ziemlich sicher, es gibt noch eine weitere.“ Auf eine weibliche Monopolstellung legt sie keinen Wert. Mit ihrer Bezeichnung „Schuhstylistin“ hebt sie sich ohnehin von den insgesamt 21 Betrieben im Stadtgebiet ab. Nicht nur ihr Laden, sie selbst revolutioniert allein optisch das Traditionshandwerk: Mit den großen runden Brillengläsern unter dem weißblonden Undercut-Bob und den gemusterten Turnschuhen steht sie in ihrem Laden wie in einem hippen Concept-Store. Deutsch-Pop beschallt den Raum. Neben den knalligen Motiv-Socken auf Holzständern und an Wänden, dem zur Theke umgebauten Hollandrad und Relikten des Vorgängers wie einem alten Wandtelefon mit Wählscheibe, fallen erst auf den zweiten Blick die vielen Lederschuhe in den Regalen auf. „Bisher nutzen die Kunden ausschließlich meinen Reparaturdienst“, sagt Ranft und deutet auf die zahlreichen Damen- und Herrenschuhe, die bei ihr auch gereinigt werden. Den Auftrag, ein komplett neues Paar anzufertigen, gab es bisher nicht. „Ein, zwei Kunden haben sich dazu mal erkundigt. Aber am Ende schreckte sie doch der Preis ab.“ Ab 1800 Euro koste ein maßgefertigtes Schuhpaar bei „Kapire“. So hat Ranft ihren Laden getauft.

Die Auftragslage ist dennoch gut an der Heyestraße. Karina Ranft profitiert dabei auch davon, dass sie das Ladenlokal eines Traditionsbetriebes übernommen hat. Ihr Vorgänger, Ingo Bornkessel, war 40 Jahre als Schuhmacher an gleicher Stelle tätig, sein Vater hat das Geschäft in den 1960er-Jahren eröffnet. Im Mai starb Ingo Bornkessel. Ranft übernahm seine Kunden. „Sie haben sich sehr gefreut, dass das Handwerk fortgeführt wird“, sagt sie. Die neuen Preise allerdings hätten einige zunächst geschockt. „Mein Vorgänger hat für einen neuen Absatz 6,50 Euro verlangt,“, sagt sie. Bei ihr kostet es nun 19 Euro. „Das ist natürlich dann ein großer Unterschied. Aber die Kunden haben glücklicherweise verstanden, warum ich solche Preise verlangen muss.“

Auch immer mehr neue Kunden gewinnt sie. Solche sogar, die bisher noch nie beim Schuster waren. „Das Thema Nachhaltigkeit wird immer präsenter. Es wird lieber repariert als weggeschmissen“, sagt die Schuhexpertin. Hinzu kommt, dass der moderne Laden neugierige Passanten anlockt. „Sie freuen sich, dass auf der Heyestraße etwas passiert.“ Die Gerresheimerin glaubt daran, dass sich die Straße mausern wird, auch wenn die Zeichen gerade besonders schlecht stehen: Rewe schließt Ende des Jahres, auch Rossmann könnte gehen. „Ich hoffe, etwas zu einem positiven Wandel hier beitragen zu können.“

Ihr Handwerk lernte Ranft in einem Betrieb in Mettmann. „Ich war schon immer Schuhfetischistin“, sagt sie. Nach der Ausbildung arbeitete sie dort, bis sie schwanger wurde. Heute sind die Kinder sechs und vier Jahre alt. Um trotz Selbstständigkeit genügend Zeit für sie zu haben, hat sie sich mit Schuhmacher Alexander Fröhlich Unterstützung in den Betrieb geholt.

Und auch die Öffnungszeiten sind familienfreundlich gewählt. Kunden müssen im Zweifel dann auch mal einen Tag länger auf ihre Schuhe warten. „Ich sage immer, ich rufe an, wenn die Schuhe fertig sind. Ich mag diesen Druck nicht, wenn etwas zum Tag X unbedingt fertig sein muss. Ich möchte mir auch für jeden Schuh genügend Zeit nehmen“, sagt sie. Nur einmal habe sie sich darauf eingelassen, ein Paar innerhalb weniger Stunden zu reparieren. „Da stand jemand in Badelatschen im Laden, hielt mir seine Schuhe entgegen und beteuerte, er hätte nur dieses eine Paar.“

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