Aggressionen gegen Politiker Wie sich Düsseldorfs Politiker gegen Hass und Hetze wehren

Düsseldorf · Stadtrat will Resolution verabschieden, Verwaltung soll Kampagne entwickeln. Anzeigen verlaufen meist im Sand.

 Der Hashtag „#Hass“ ist auf einem Bildschirm zu sehen.

Der Hashtag „#Hass“ ist auf einem Bildschirm zu sehen.

Foto: dpa/Lukas Schulze

Mehr und mehr Hass schlägt Politikern bundesweit entgegen. Auch in Düsseldorf sind sie zum Teil extremen Aggressionen ausgesetzt. Dagegen gehen sie nun in die Offensive, aber nicht nur für sich selbst. Einem Antrag der CDU-Ratsfraktion haben sich bereits SPD, Grüne und FDP angeschlossen, wonach der Stadtrat in seiner nächsten Sitzung am Donnerstag mit einer Resolution „jegliche Form von Beleidigung, Herabsetzung, Hass und Gewalt in Worten und Taten gegen Rettende, Helfende und Menschen mit öffentlichen Aufgaben“ verurteilen will. Außerdem soll die Stadtverwaltung beauftragt werden, eine „öffentlichkeitswirksame Kampagne“ zu entwickeln, womit für mehr Respekt und Rücksichtnahme gegenüber besagtem Personenkreis geworben werden soll.

CDU-Fraktionschef Rüdiger Gutt: „Wir sorgen uns um Feuerwehrleute, Sanitäter, Polizeibeamte, OSD-Mitarbeiter, Rheinbahnfahrer und andere Aufgabenträger. Sie erleben immer öfter ein Klima von Beleidigung und Aggression. Das kann und will die Politik in dieser Stadt nicht hinnehmen.“

 Vor allem die Politiker selbst rücken dabei ins Zentrum der Angriffe. Das hat auch schon Mona Neubaur, Landesvorsitzende der Grünen in NRW erlebt.  Sie berichtet, dass sie schon als Sprecherin der Düsseldorfer Grünen Beleidigungen und Bedrohungen erhalten habe, mit der Wahl zur Landeschefin habe sich die Zahl „deutlich erhöht“. Viele der Angriffe seien rassistisch und/oder sexistisch. „Offenbar nehmen auch hasserfüllte Menschen wahr, dass ich mich politisch und auch persönlich gegen Antisemitismus, Rassismus, rechte Hetze und für die Gleichberechtigung einsetze“, sagt Neubaur. Sie ignoriere die meisten Hass-Nachrichten, bringe aber juristisch relevante Angriffe zur Anzeige.

Auf diese Erfahrungen reagiert Neubaur nun mit einem Vorschlag, um die Betroffenen besser zu schützen. „Für bedrohte Kommunalpolitiker oder ehrenamtlich für das Gemeinwohl Engagierte“ soll „ein Netzwerk der Unterstützung bereitgestellt“ werden. Es müsse leicht zugänglich sein und unkompliziert Beratung und Hilfe für Opfer von Hetze und Hass bieten. „Keinesfalls dürfen wir engagierte Menschen mit der Bedrohungssituation allein lassen.“

OB Thomas Geisel sah sich jüngst sogar Morddrohungen ausgesetzt, die auch seiner Familie galten. Zuvor hatte er sich im November dafür ausgesprochen, Bootsflüchtlinge in Düsseldorf aufzunehmen. „Da kommen Mails teils mit Klarnamen. Die Absender sehen offenbar keinen Unterschied mehr zwischen einer Meinungsäußerung und strafbewehrten Drohungen und Beleidigungen. Ich bin nicht zart besaitet. Aber es gibt auch für mich Grenzen. Etwa Volksverhetzung oder Gewaltandrohung. Das zeige ich konsequent an“. Die Ermittlungen sind im aktuellen Fall allerdings eingestellt worden.

Neben dem Thema „Seenotrettung“ musste Geisel vor allem nach den Ausschreitungen im Rheinbad im Sommer Anfeindungen über sich ergehen lassen.“ Mehr als 100 Hassmails mit rassistischem Inhalt erreichten zu diesen beiden Themen den Mail-Account des Oberbürgermeisters. Hinzu kamen zahlreiche Kommentare in den Sozialen Netzwerken mit wut- und hasserfüllten Inhalten, wie Stadtsprecher Michael Kamphausen sagt. „Auch wenn keine eindeutigen Statistiken vorliegen ist nach Einschätzung der Stadt die Hemmschwelle für Hassmails oder entsprechende Posts in den Sozialen Netzwerken eindeutig gesunken.“

Besonders betroffen davon ist Miriam Koch, Leiterin des Amtes für Migration und Integration. „Das Ausmaß der Beschimpfungen und der unsachlichen Kritik hängt bei mir immer vor allem davon ab, wie öffentlich ich unterwegs bin mit dem Thema Flüchtlinge“, sagt sie.  Ganz aktuell habe es wieder zugenommen, nachdem sie bei der Grünen-Bundestagsfraktion in Berlin war und dann zum Thema Seenotrettung auch in der Bundespressekonferenz zum Thema „Seenotrettung 2020“ auftrat: „Die Folge waren wieder Dutzende Mails und Anrufe mit dem Tenor: Nehmen Sie doch die Flüchtlinge bei sich zu Hause auf und so etwas.“

Die AfD bringt den „Berliner Appell“  mit einer Anfrage in den Stadtrat, ob die Stadtverwaltung hier nicht Parteipolitik betreibe. Miriam Koch betont aber, „dass es auf der anderen Seite auch sehr viel Unterstützung und Zuspruch gibt“.

Dass Anzeigen gegen die Urheber von hasserfüllten Nachrichten wie bei OB Geisel oft im Sand verlaufen, hat auch Marie-Agnes Strack-Zimmermann erfahren. In einem Leserbrief an den „Spiegel“ hieß es über die Sprecherin für Verteidigungspolitik der Bundes-FDP und OB-Kandidatin der Partei: „Als Soldat sollte man solchen Tussen sofort eine Kugel verpassen.“ Der Absender dieses (nicht veröffentlichten) Leserbriefs war allerdings nicht herauszufinden. Strack-Zimmermann sagt allerdings auch, dass sie auf lokaler Ebene noch keine extremen Erfahrungen gemacht habe.

Tatsächlich sind natürlich nicht alle politischen Akteure in Düsseldorf Hass und Gewaltandrohungen ausgesetzt. Volker Neupert, der mit dem Bündnis „Düsseldorfer Appell“ in vorderster Front gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus Gesicht zeigt, sagt etwa auf unsere Anfrage: „Ich habe da glücklicherweise keine solchen Erfahrungen gemacht.“

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