Die Sprache der Hundeflüsterin Wie man mit zehn Hunden gleichzeitig Gassi geht

Düsseldorf · Die Düsseldorferin Ursula Löckenhoff geht oft mit zehn Hunden gleichzeitig durch die Straßen. Wie schafft sie es, dass die Tiere so diszipliniert sind? Und was sollten Radfahrer und Läufer über Hunde wissen?

 Ein Fremdhund dringt in den Raum der Hundegruppe ein. Ursula Löckenhoff stellt sich vor ihre Schützlinge...

Ein Fremdhund dringt in den Raum der Hundegruppe ein. Ursula Löckenhoff stellt sich vor ihre Schützlinge...

Foto: Anna Auerbach

Ein frei laufender Hund nähert sich Ursula Löckenhoff und ihrer an diesem Tag sechs Tiere starken Hundegruppe. Kein Herrchen oder Frauchen in Sicht, das sie ansprechen könnte, um den Freiläufer davon abzuhalten, das Gefüge der Gruppe durcheinander zu bringen. Schon droht eines ihrer Tiere, die sie an drei Leinen zusammenhält, aus der Gruppe auszubrechen und auf den Eindringling loszugehen. Löckenhoff drängt die eigene Hundegruppe durch Zurücksetzen eines Beins zurück, mit dem rechten geht sie nach vorn, holt sich so den Raum zurück, den ihre Gruppe gegenüber dem Fremdhund braucht. Dieser weicht schließlich zurück.

Die Gruppe wird langsam und schrittweise aufgebaut

Die 54-jährige Düsseldorferin schildert da eine Situation, die sie immer wieder meistern muss. Jeden Tag führt die Betreiberin eines Hundehotels ihre eigenen Tiere und die Gasthunde, die sie während der Tagesstunden, manchmal aber auch für Wochen am Stück, betreut, durch die Straßen des Stadtteils Gerresheim. Um schließlich auf dem zwei- bis dreistündigen Dogwalk (Hundespaziergang) das Ziel zu erreichen – die Wiesen, den Wald, die „Abenteuerspielplätze“ der Tiere. Aber wie macht sie das, wie schafft sie es, dass an manchen Tagen bis zu zehn Hunde ihrem Kommando so diszipliniert folgen?

„Ich arbeite über das Gruppengefühl“, sagt Löckenhoff, „und das würde natürlich nicht funktionieren, wenn ich einfach mit einer Gruppe von zehn Tieren losliefe.“ Sie hat ihr Team, wie sie es nennt, Stück für Stück aufgebaut. Kommt mal ein neuer Hund dazu, wird er sowohl von ihr als dem Leitmensch, aber auch von der Gruppe in diese Regeln eingeführt.

Wenn sie die Hunde vor dem täglichen Ausflug anleint (immer zwei an einer Leine), spricht sie jeden einzelnen an, zeigt ihm ihre Aufmerksamkeit. „Die Leine ist für mich wie die Hand, die mich mit dem Hund verbindet“, sagt die gelernte Grafikerin, die später eine Ausbildung als Hundephysiotherapeutin machte und seit knapp zehn Jahren ihr Hundehotel betreibt. „Und so gehen wir dann alle Hand in Hand durch die Straßen, wie eine Kindergartengruppe. Bis wir im Wald oder auf freier Fläche ankommen, hat jeder verstanden, dass ich die Gruppe leite, auch der neue Hund, das merkt er am Verhalten der anderen, die ihm signalisieren: Die hat hier irgendwie was zu sagen.“

„Das mit den Katzen haben wir ausdiskutiert“

Löckenhoff lehnt es auch schon mal ab, einen Hund in ihre Gruppe aufzunehmen. Sie erinnert sich an einen Wischler, „der hat viel Theater gemacht, als uns ein Fremdhund entgegenkam. Ich habe mich bei ihm beschwert, und dann ging er im Übersprungsverhalten auf die anderen Hunde der Gruppe los. Das geht nicht, da musste ich dem Hundebesitzer absagen, den konnte ich nicht betreuen.“

Und wenn ihnen dann auf ihrem Weg mal eine Katze begegnet? Gibt es dann für die Gruppe kein Halten mehr: auf sie mit Gebell – und dann wird der Leitmensch einfach nur noch hinter der Gruppe hergezerrt? So etwas weiß Löckenhoff durch gezielte Ansprache zu unterbinden. „Das mit den Katzen haben wir ausdiskutiert“, sagt sie. Und man nimmt ihr ab, dass sie mit ihren Hunden ein ganz eigenes Kommunikationslevel hat. Es sei sowieso nie die ganze Gruppe, die an einer Katze interessiert sei, maximal die Hälfte, sagt sie. „Und die andere Hälfte kommuniziert dann von sich aus schon: Kommt, geiert nicht der Katze hinterher, wir haben doch was Besseres vor.“

Dieses Bessere ist der freie Auslauf, der ja noch vor der Gruppe steht. Oder aber am Ende der Tour das verdiente Herunterkommen zuhause. Denn Ausruhen, auch das betont Löckenhoff, sei ganz wichtig für die Tiere: „Hunde ruhen 80 bis 90 Prozent des Tages. Nicht, dass sie da immer schlafen, sie entspannen, beobachten. Aber sie brauchen diese Ruhe“, sagt die Hundeflüsterin. Durch zu viel Aktivität werde der Hund aufgekratzt, komme gar nicht mehr zur Ruhe.

 Endlich in freier Wildbahn, aber auch ohne Leine diszipliniert. Doch auch hier gibt Ursula Löckenhoff mit Gesten und Ansprache den Takt an.

Endlich in freier Wildbahn, aber auch ohne Leine diszipliniert. Doch auch hier gibt Ursula Löckenhoff mit Gesten und Ansprache den Takt an.

Foto: Anna Auerbach/Anna Auerbach für Kosmos-Verlag

Der Raum – ein Begriff, der für Mensch und Tier wichtig ist

Das Ziel der bunten Truppe, die da täglich durch die Straßen Gerresheims streift, ist also die Natur, die Wiesen, die Abhänge, die man gemeinsam herunterrutscht. Der Wald, den es zu entdecken gilt. Aber auch da leint Löckenhoff nur diejenigen Hunde ab, denen sie bereits vertraut, die Neuen müssen sich die Freiheit erst verdienen. „Führe ich einen neuen Hund in die Gruppe ein, bleibt er anfangs an der Leine. Mit mir Hand in Hand lernt er unsere Gruppenregeln kennen, ganz nebenbei positioniere ich mich als Leitmensch: Ich begrenze und biete Schutz.“

In freier Wildbahn angekommen, wird also einer nach dem anderen abgeleint. Wer schon von der Leine los ist, weiß, dass er nicht einfach loslaufen darf. „Alle müssen warten, bis ich fertig bin, muss sich in Langeweile und Vorfreude üben. Und dann geht es gesittet, respektvoll in den Wald“. Will sich einer ins Gebüsch schlagen, unterbindet sie das sofort, durch Ansprache, durch Handzeichen. Und wenn sie dann in offenem Gelände freie Sicht hat, dürfen die Tiere so richtig lospreschen. „Die Windhunde brauchen das sowieso und die anderen heften sich an ihre Fersen.“

Es gibt ein Wort, das Ursula Löckenhoff oft benutzt, wenn sie von der Arbeit mit ihren Schützlingen spricht: Raum. „Hunde sind territoriale Tiere, sie nehmen immer einen Raum ein, brauchen den Abstand zu anderen“, erklärt Löckenhoff. Das gelte eben nicht nur dann, wenn sie etwa das Haus von Herrchen oder Frauchen bewachen, sondern auch überall da, wo sie sich bewegen. Da sollte niemand anders in diesen Raum eindringen. „Das ist vergleichbar mit dem Handtuch des Urlaubers am Strand. Steht der Besitzer auf und will kurz baden gehen, geht es doch auch nicht, dass sich ein anderer auf das Handtuch setzt.“ Genau so sei es mit der unsichtbaren Raumgrenze um ihre Hundegruppe. Nur weil ein Hund diesen Raum für sich beansprucht, sei er nicht etwa aggressiv. Das gehöre nun mal zu seinem Wesen, sagt Löckenhoff.

Signalwort Fahrrad – die Hunde schauen zum Leitmenschen

Gut zu wissen also für Menschen, die dem Team Löckenhoff, einer anderen Hundegruppe oder auch einzelnen Tieren nahe kommen. „Nähert sich ein Radfahrer, rufe ich das Signalwort Fahrrad. Das kennen die Hunde, sie suchen Blickkontakt zu mir, dann mache ich eine Geste und wir gehen an die Seite, geben Raum frei.“ Ihre Hunde beengen sich, wie sie es ausdrückt. „Es wäre dann natürlich sehr nett, wenn auch der Radfahrer sein Tempo verlangsamt, um den Hunden Zeit zu geben.“ Gerade bei Joggern hat Löckenhoff festgestellt, dass diese oftmals keine solche Rücksicht nehmen, stur weiterlaufen, statt mal ein paar Schritte auf der Stelle zu treten, bis die Gruppe vorbeigezogen ist. „Das wäre schon sehr hilfreich“, appelliert sie.

Auch wenn es für sie selbst vielleicht nicht so angenehm ist, aber verregnete Tage haben für Löckenhoff auch ihr Gutes, weil da nicht so viele Menschen unterwegs sind. „Da können wir den ganzen Raum einnehmen.“ Und wenn das Team schließlich nach ein paar Stunden wieder zuhause ist, wird jeder einzeln abgetrocknet und abgebürstet. Und freut sich aufs ´Runterkommen. Kann Kräfte sammeln für den nächsten Dogwalk. Wenn ihr Leitmensch sie wieder an die Leine nimmt. Nein, an die Hand, denn die Leine ist ja die Hand zum Hund.

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