Kunstvermittlung Besuch im Museumskeller: Ein Kurs für die Kunst

Düsseldorf · In der Sommer-Akademie des Kunstpalastes vermittelt Susanne Ristow Kunst. Eine Selbsterfahrung.

 Bei der Sommerakademie im Kunstpalast konnte Kursleiterin Susanne Ristow (r.) Inge Hufschlag einige Tipps geben.

Bei der Sommerakademie im Kunstpalast konnte Kursleiterin Susanne Ristow (r.) Inge Hufschlag einige Tipps geben.

Foto: Judith Michaelis

Rechts und links funkeln in Vitrinen die Prachtstücke der Glassammlung im Museum Kunstpalast. Doch sie bleiben unbeachtet von der kleinen Gruppe, die durch die Gänge eilt. Immer der Nase nach. Einfach dem Terpentingeruch folgen lautet die Anweisung. Wir, die Teilnehmer der Sommerakademie, die in diesem Jahr erstmalig angeboten wird, landen im kühlen Keller, quasi in der Palastwerkstatt.

Der Raum ist durchaus kunstvoll. Auf dem Boden liegen noch die großen bunten Bilder vom Vortag. An vier Tagen wurden unter Anleitung der Künstlerin Susanne Ristow  in Halbtags-Modulen verschiedene Techniken vermittelt und ausgeübt: Zeichnung und Druckgrafik, Plastisches Gestalten, Malerei und Maltechnik. Thema des letzten Tages: Collagen, Intermedia und Übertragungstechnik.

Zu Beginn eine kleine Vorstellungsrunde: Esther liebt Collagen, „dieses Alles-miteinander-verbinden.“ Susanne erklärt den Begriff, der sich aus dem italienischen Wort für Leim ableitet. Picasso und Braque haben damit angefangen: „Es war wie ein Befreiungsschlag. Alles konnte, kam plötzlich ins Bild.“

Malerei sei die Illusion der Wirklichkeit, der die Fotografie dann die Schau gestohlen hat. Die Reaktion darauf war die Dada-Bewegung mit Künstlern wie Kurt Schwitters, dem Meister der Montage. Susanne stellt das Multitalent auch in andere Richtung vor: „Der hat seine Sachen anfangs in der Straßenbahn angeboten – und auch verkauft.“  Vielleicht ein Merksatz für die Rückfahrt mit eigenen Werken im Gepäck.

Claudia geht es um Farben. Sie will neue Übertragungstechniken lernen. Susanne verweist auf die Tradition, die nicht erst mit dem Projektor begann: „Schon Cranach hat wie wild übertragen.“ Fatia hat früh angefangen, aus Zeitungen und Zeitschriften Bilder auszuschneiden, die sie faszinierten: „Die andere Seit des Mondes. Das Plakat hängt in meinem Büro.“

Viktoria ist die jüngste unter uns. Sie verbringt ihr freiwilliges soziales Jahr im Kunstpalast, wie sich zeigt, am richtigen Arbeitsplatz. Entspannt und konzentriert  kombiniert sie sorgfältig ausgewählte Ausschnitte mit zarten Aquarell-Motiven, die an chinesische Tuschemalerei erinnern: „Collagen sind total mein Ding. Schon als ich klein war habe ich Steine und Muscheln gesammelt und bemalt.“

Dorothea ist Textil-Ingenieurin, hat in der Modeindustrie gearbeitet unterrichtet heute an einer Gesamtschule. Ihre Collage ist denn auch schon ein kleines Meisterwerk in der Harmonie von Formen und Farben. Könnte man sich auch als attraktiven Stoffdruck vorstellen.

Susanne Ristow macht bewusst keine Vorgaben, sie holt die Teilnehmer dort ab, wo sie mit ihren Wünsche und Fähigkeiten gerade sind „Man sollte sich zuerst überlegen, wie man arbeiten will: ästhetisch, ornamental, eine Geschichte erzählen, Bild und Text kombinieren. Auch das ist möglich.“ Wie bei Fatia, die sich von der Zeile „200 Stimmen gesucht“ inspirieren lässt. Ihre Bilder wirken schon vom Format her wie Entwürfe für Buchdeckel.

Zahlreiche handwerkliche
Tipps helfen weiter

Günther, der einzige Mann in der Runde von zehn Teilnehmern, ist einer von Dreien, die alle Module mitgemacht haben. Nicht sein erster Kunstunterricht. Er hat auch schon ausgestellt „und sogar was verkauft“. Seine Werke haben einen gewissen Witz.

Und, klar, man guckt auch rechts und links und sich bei den Anderen was ab und diskutiert. Heute ist Freitag. Auch für Future in der Kunst. Wir fragen uns, ob sich Kunst und Umweltschutz ausschließen (dürfen?), ob Aquarell-Maler bessere Menschen sind, als die, die mit Acryl und anderen bedenklichen Materialien arbeiten.

Na, da kann ich ja ein gutes Gewissen haben, wenn ich mein Strandgut sammle und damit den Meeressaum vom Müll befreie. Eine saubere Sache, oder? Der Recycling-Gedanke fließe natürlich auch mit ein beim Thema Collage, bestätigt Susanne. Mit Fundstücken könne man die Realität ins Bild holen. Kunst, aus dem Leben geschöpft, Combined Painting werde das auch genannt. Für mich als Meisterin der Ungeduld sind es eher Ready Mades. Die Natur, der größte Künstler überhaupt, hat die praktische Vorarbeit geleistet, das Salz im Meer für oft verblüffende Effekte gesorgt. Man muss einfach nur Sehen können oder lernen, der Rest, das Strandgut, findet sich dann wie von selbst.

Doch bevor ich beherzt in meine Tüte mit Schrott- und Plastikteilen greife und munter zu montieren beginne, muss ich einige mitgebrachte Vorstellungen demontieren, mich auf neue Techniken einlassen. Die Kreativität, Dinge zusammenzubringen, die eigentlich nicht zusammengehören,  ist  zwar leicht geweckt,  aber wie befestige ich starkes Eisen auf einer zu schwachen Pappe? Glatten Kunststoff auf  löchrigem Holz? Dabei gibt es immer wieder Probleme. Hier brauche ich dringend Nachhilfe.

Es gibt immer mehrere Möglichkeiten. An einer habe ich mir bereits die Finger verbrannt, seitdem hasse ich diese kippeligen Heißklebepistolen. In der Sommerakademie lerne ich, dass ich kleine Löcher in den Untergrund bohren und damit das Objekt auf der Rückseite des Trägers befestigen kann. Hab ich mich bisher nicht getraut. Dabei ist es gar nicht so schwer. Oder diese goldfarbenen Durchsteck-Dinger, die man sonst durch Polster-Umschläge spreizt. Mit denen nagele ich löchriges Treibgut auf eine fromme Kreuzigungs-Kopie. Passt doch thematisch und hält auch. „An den Collagen von Kurt Schwitters wackelt bis heute noch nichts“, erklärt Susanne. Ok, dann soll das bei mir ab jetzt auch so sein.

Leichter geht das mit dem Bild von Viren, die ich einfach mit kleinen runden Fundstücken überklebe, wobei ich dann doch wieder zur Pistole greife. Es gäbe noch viel mehr Möglichkeiten: Feuchtkleber, Holzleim oder dieses geniale Fixogum, das man immer wieder abziehen kann.

Das ist das Tolle in der Werkstatt, dass man sämtliche Werkzeuge und Materialien zur Verfügung hat. Was mit mitbringen sollte, ist aber Neugier und Begeisterung. Beides haben die meisten Teilnehmer von 20 bis über 70. Die  Älteren vielleicht noch mehr als die Jüngeren. Oder nicht, wollen wir von Viktoria wissen. Die seufzt über ihrer College gebeugt: „Das ist vielleicht eine Frage! So was stellt sich bei mir ein, sobald ich einen Erfolg erkennen kann und erlebe, dass ich etwas zurückbekomme.“ Sicher keine Altersfrage – und auch eigentlich gar keine Kunst.

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