Gastkommentar Wie der Fall Max Stern die Düsseldorfer Gegenwart prägt

Düsseldorf · Jonges-Baas Wolfgang Rolshoven über den von den Nazis verfolgten Galeristen Max Stern, dessen Geschichte Teil der Düsseldorfer Stadtgeschichte geworden ist.

 Ausschnitt aus einem der Bilder, die Teil der Diskussion um Max Stern waren: „Die Kinder des Künstlers“ von Wilhelm Schadow, 1830, Öl auf Leinwand, 138 x 110 cm.

Ausschnitt aus einem der Bilder, die Teil der Diskussion um Max Stern waren: „Die Kinder des Künstlers“ von Wilhelm Schadow, 1830, Öl auf Leinwand, 138 x 110 cm.

Foto: Horst Kolberg, Neuss – ARTOTHEK

Es ist ein Stück Lebenserfahrung: Wenn alle mal durchgeatmet haben, lösen sich manchmal auch komplizierte Sachverhalte. Die Absage der Stadt Düsseldorf an die Initiatoren einer Max Stern-Ausstellung im Vorjahr hat zweifelsfrei zu einem komplizierten Sachverhalt geführt. Für Dr. Oded Horowitz, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde, ist er jedoch lösbar.

Dazu muss man wissen: Der OB und Horowitz verstehen sich gut und mit Blick auf augenscheinlich vergrätzte kanadische Partner der Ausstellung klingt seine Anregung wie ein freundschaftlicher Rat. Er hätte ihn nicht erteilt, wenn er wüsste, dass Geisel in Übersee vor die Wand laufen würde.

Horowitz gilt als ein Mann des Ausgleichs. Er weiß sehr wohl um die Schwierigkeiten, die viele Städte im Umgang mit dem jüdischen Teil ihrer Geschichte haben. Er weiß auch, dass jüdisches Leben heute noch immer von der Normalität weit entfernt ist. Wenn Schulkinder in Sicherheitszonen unterrichtet werden müssen. Und wenn das Tragen der Kippa (jüdische Kopfbedeckung) einen Gefährdungstatbestand darstellt, ist das ein zweites Beispiel.

Alle, die an der Vorbereitung der Stern-Ausstellung beteiligt waren (und sind) wussten um die Brisanz des sensiblen Themas. Ihnen war dabei durchaus bewusst: Diese Ausstellung könnte inmitten der Raubkunst-Diskussionen leicht zu einem Politikum werden.

 Wolfgang Rolshoven ist der Baas der Düsseldorfer Jonges.

Wolfgang Rolshoven ist der Baas der Düsseldorfer Jonges.

Foto: Judith Michaelis

Ich denke, wir alle müssen und können heute schwierige Diskussionen aushalten. Das Bemühen um größtmögliche Objektivität ist richtig, aber nicht erfolgsgarantiert. Ohne Mut geht nichts.

Die Geschichte der Galerie Stern und das Schicksal von Max Stern sind Teil unserer Stadtgeschichte.

Max Stern war ein angesehener Bürger dieser Stadt. Die Galerie Stern, die er im Jahre 1934 von seinem Vater Julius Stern übernommen hatte, handelte mit Kunstwerken alter Meister und der Düsseldorfer Malerschule. Kunde der Galerie war das gehobene Bürgertum Düsseldorfs.

Max Stern wurde ein Opfer des Terrorregimes der Nazis. 1935, noch vor dem Erlass der sogenannten Nürnberger Rassengesetze, wurde Max Stern mit einem Berufsverbot belegt und musste die Galerie schließlich im Jahre 1937 schließen, nachdem Bemühungen, sie zu verpachten, erfolglos geblieben waren.

Um den zunehmenden Repressalien zu entgehen und seine Flucht ins Ausland zu ermöglichen, war er gezwungen, den Galeriebesitz zu veräußern. Bei einer Auktion im Kölner Auktionshaus Lempertz wurde ein erheblicher Teil der Kunstwerke den Umständen geschuldet unter Wert verkauft; und was nicht veräußert werden konnte, wurde von den Nazis beschlagnahmt. Max Stern gelang schließlich über London die Flucht nach Kanada, wo er sich nach dem Krieg als Galerist eine neue Existenz aufbaute und im Jahr 1987 in seiner neuen Heimat Montreal verstarb.

Das Leben und Schicksal Max Sterns ist Teil unserer Stadtgeschichte und deshalb sollten wir glücklich darüber sein, dass wir sein Leben und die Geschichte der Galerie Stern in einer Ausstellung im Stadtmuseum würdigen werden. Das Schicksal Max Sterns ist auch Gegenstand der Erinnerungskultur, die wir in unserer Heimatstadt sehr intensiv pflegen.

Gerade in der heutigen Zeit wo Antisemitismus, Hetze, Populismus und Rechtsextremismus leider immer häufiger zu erleben sind, bin ich überzeugt: Nur wenn wir die Erinnerung an das unseren jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern seinerzeit zugefügte Leid wach halten, sind wir heute gefeit vor einem Rückfall in den Rechtsextremismus und die Barbarei.

Wir wissen, dass sich heute in privaten und öffentlichen Sammlungen weltweit immer noch zahlreiche Kunstwerke befinden, die in der Nazizeit ihren jüdischen Besitzern unrechtmäßig abhanden gekommen sind. Um dieses Unrecht wieder gut zu machen, wurde 1998 die Washingtoner Erklärung unterzeichnet, deren Ziel es ist, diese Kunstwerke ausfindig zu machen und sie im Rahmen einer fairen und gerechten Lösung ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben.

Unsere Heimatstadt ist der Washingtoner Erklärung verpflichtet.

Aus diesem Grunde betreibt Düsseldorf eine intensive Provenienzforschung. Man will wissen, wann, unter welchen Umständen und auf welchem Wege Kunstwerke in unsere Museen gelangt sind.

Unstreitig muss ein unrechtmäßiger Rechtsverlust immer dann vermutet werden, wenn der Entzug nach Erlass der „Nürnberger Rassengesetze“ erfolgte; aber was ist mit dem Zeitraum vor 1933 und zwischen 1933 und 1935? Auch in der Zeit ist bereits sehr viel Unrecht geschehen.

Düsseldorf hat in der Vergangenheit viel Kritik einstecken müssen für die Absage einer geplanten Ausstellung zu Max Stern. Ich glaube, Düsseldorf widmet sich der Frage der Restitution von unrechtmäßig entzogenen Kunstwerken mit großer Ernsthaftigkeit und Sorgfalt. In vielen Fällen ist es sehr schwierig die komplexe Materie zu beurteilen. Hier kann nur eine beratende neutrale Kommission eine für alle Parteien zufriedenstellende Lösung finden.

Die Sachverhalte sind kompliziert und erfordern eine differenzierte Betrachtung, die Aspekte des Rechts und der Gerechtigkeit ebenso berücksichtigt wie solche der historischen und moralischen Verantwortung.

Wenn es denn des Eingeständnisses eines Missverständnisses bedarf, um ein Knäuel zu entwirren und die Dinge wieder ins Lot zu bringen, dann ist das vertretbar. Max Stern ist die Diskussion allemal wert.

Wolfgang Rolshoven ist Baas der Düsseldorfer Jonges. Archivfoto: JM

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