Weiterleben mit der Diagnose Alzheimer

Im Tatort beschließen zwei Senioren, dass ihr Leben mit Demenz keinen Sinn mehr habe – in Wirklichkeit ist das eher selten.

Düsseldorf. 7,5 Millionen Menschen sahen am Sonntag den Tatort mit den unschönen Titel "Altlasten". Unschön, weil es doch unter anderem um die Frage ging, wie Generationen miteinander umgehen, wenn Eltern älter werden, Unterstützung brauchen und von ihrer Umgebung abhängig werden. Für das Fernseh-Ehepaar Willy und Brise Schubert ist die Antwort klar: Lieber mit Würde und bei klarem Verstand aus dem Leben scheiden, als anderen zur Last fallen und womöglich im Altenheim dahinsiechen.

"Besonders die Anfangsphase einer demenziellen Erkrankung ist für die Patienten häufig sehr belastend", sagt Dr. Wolfgang Wittgens, Chefarzt der Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Krankenhaus Elbroich. Der drohende Verlust von Eigenständigkeit und Kontrolle über das eigene Leben führe zu der existenziellen Frage, wie will und kann ich mit der Diagnose weiterleben. "Selbsttötungsgedanken beobachten wir aber bei diesen Diagnosen eher selten", sagt Wittgens.

Das sagt auch Jutta Giersch, Abteilungsleiterin im Amt für soziale Sicherung und zuständig für das städtische Demenz-Service-Büro. "Wichtig ist, die Sorgen der Patienten und ihrer Angehörigen ernstzunehmen und zu vermitteln, dass eine solche Diagnose nicht automatisch das Ende bedeutet", sagt Giersch. Viele Menschen, die ins Demenz-Büro kämen, ahnten zumindest, dass mit ihnen etwas nicht stimme. "Wichtig ist dann das Vertrauensverhältnis zum Hausarzt, weil ärztliche Begleitung unbedingt notwendig ist."

Wittgens rät unter Umständen zu psychotherapeutischer Begleitung. "Gerade, wenn sich Patienten dazu entscheiden, die Zukunft mit der Krankheit bewusst zu planen, kann ein neutrales Gespräch hilfreich sein", sagt der Facharzt. Neutral deshalb, weil Angehörige oft selbst von der Situation überfordert seien. "Die Eltern-Kind-Rolle verändert sich in vielen Fällen, die Kinder merken, dass ihre Eltern jetzt auf Hilfe angewiesen sind."

Ein Rollenwechsel, der beiden Seiten nicht leicht fällt. "Kranke müssen akzeptieren, dass sie Hilfe brauchen und diese auch zulassen", sagt Giersch. "Die Angehörigen müssen hinnehmen, dass bestimmte Verhaltensweisen einen würdevollen Umgang brauchen." Wenn Körper und Geist nicht mehr als wehrhaft wahrgenommen würden, sei Respekt wichtig.

Geschätzt 10 000 Menschen in Düsseldorf leben mit der Diagnose Demenz, 1200 Kranke oder ihre Angehörigen lassen sich in jedem Jahr im Service-Büro beraten. Die Mitarbeiter verstehen sich dort als Lotsen, die einen Weg ins Pflegesystem aufzeigen. Ein Weg, der nicht notwendigerweise in einem Heim enden muss. Oft zeige sich nach Gesprächen, dass Pflege auch zu Hause funktioniere.

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