Weitere Kiesabbauflächen : Anwohner, Kommunen und Umweltschützer positionieren sich gegen den Regionalplan Ruhr
Düsseldorf Der Regionalplan Ruhr sieht den Ausbau von Kiesabbauflächen vor. Warum Anwohner, Kommunen und Umweltschützer nun Sturm laufen.
Der Schock traf Alexandra Nolte im vergangenen Jahr völlig überraschend: „Keiner hat vorher mit uns geredet. Wir haben die Zeitung aufgeschlagen und gedacht: Guck mal, wir werden ein Kiesgebiet“, erzählt die Frau aus Neukirchen-Vluyn am Niederrhein. Wenn alles so kommt, wie der neue Regionalplan Ruhr es vorsieht, könnte der 8000-Quadratmeter-Hof der Noltes künftig abgebaggert werden; das Grundstück läge danach unter Wasser mitten in einem neuen Baggersee.
Am Montag legt die zuständige Planungsbehörde, der Regionalverband Ruhr (RVR), den rund 1000 Seiten starken Plan am Behördensitz in Essen und online aus. Bürger haben dann drei Monate Zeit für Stellungnahmen. Es ist bereits der zweite Anlauf: Bei der ersten Offenlage hatte es Tausende Einwendungen vor allem gegen den Kiesabbau gegeben. Daraufhin hatte der RVR den Plan überarbeitet.
Anwohner und Umweltschützer laufen Sturm gegen die vorgesehene Ausweitung der möglichen Kiesabbauflächen von jetzt 1200 auf 1500 Hektar im Ruhr-Planungsgebiet. Die Industrie verweist dagegen auf den dringenden und wachsenden Kiesbedarf etwa für neue Wohnungen, die vielen maroden Brücken in NRW oder neue Windkrafträder. Rohstofftransporte seien teuer. Wer bezahlbaren Wohnraum schaffen wolle, dürfe den heimischen Kiesabbau nicht blockieren, sondern müsse die nötigen Genehmigungsverfahren sogar beschleunigen, fordert der Geschäftsführer der Kiesindustrie-Initiative „Zukunft Niederrhein“, Sascha Kruchen.
Wertvolle Ackerflächen am Niederrhein mit fruchtbarem Boden gingen aber durch den Kiesabbau unwiderruflich verloren, sagt der Vize-Landesvorsitzende des Nabu NRW, Christian Chwallek. Mit dem Kies verliere das Grundwasser seine natürliche Schutzschicht gegen Schadstoffeinträge – etwa, wenn es nach Starkregenereignissen kontaminiertes Hochwasser gebe. „Das sind offene Wunden im Boden.“
An ihrem Hof treffe das in besonderer Weise zu, erklären die Noltes in einem Youtube-Video. Das geplante neue Abbaugebiet liege direkt neben einer alten Abraumhalde aus dem Bergbau. „Die Katastrophe ist beim laufenden Klimawandel mit Starkregen und Sturm vorprogrammiert, wenn, was immer in der Halde begraben liegt, mit dem Grundwasser in Kontakt kommt.“ Die Umweltschützer kritisieren außerdem den erheblichen Export von NRW-Kies etwa in die Niederlande: „Der Niederrhein kann nicht den Kiesbedarf von ganz Mitteleuropa abdecken“, sagt Chwallek.