Warme Dusche für die Flieger

52 Enteiser befreien am Flughafen derzeit im Akkord Jets von Eis und Schnee. Ihr Job ist entscheidend für die Sicherheit, denn ein vereister Flieger ist nicht zu kontrollieren.

Düsseldorf. Von beiden Seiten nähern sich drei "Elephanten" der riesigen Condor-Maschine. Gleich soll die Boeing 757 nach Übersee abheben. Doch ihr kompletter Rumpf und die Tragflächen sind mit einer zehn Zentimeter dicken Schneeschicht bedeckt. Der rücken die "Elephanten" - Fahrzeuge mit einer ausfahrbaren Kabine und einem Sprüh-Rüssel - jetzt mit einem 85 Grad warmen Alkohol-Wasser-Gemisch auf den Leib. Die Enteiser sind am Flughafen derzeit im Dauereinsatz für die Sicherheit der Passagiere. Denn schon eine dünne Schicht von Reif auf einem Jet könnte zu einer Katastrophe führen.

70 Flugzeuge hat Andreas Mugge von der Flughafentochter Ground Handling mit seiner Crew an diesem Morgen schon enteist. Sind die Flieger nur mit einer dünnen Eisschicht bedeckt, dauert die Prozedur fünf bis acht Minuten. Je nachdem, welche Behandlung sich der Kapitän wünscht - denn der hat freie Auswahl, welche Teile er besprüht haben möchte.

Bei einem schweren Fall wie dem Condor-Jet muss die Enteisung in zwei Phasen erfolgen. Zuerst wird die Schneedecke mit einer dünnen Alkohol-Mischung abgetaut. Dann spucken die Rüssel der "Elephanten" bis zu 8000 Liter grüner Enteisungsflüssigkeit auf die Boeing. Grün bedeutet: Enteisungstyp 4. Mit viel Verdickungsmittel. "Das bleibt länger auf der Oberfläche", sagt Mugge. 110 Tonnen Enteiser hält der Flughafen derzeit vor, allein am Dienstag wurden 60 Tonnen verbraucht.

Ein beachtlicher Zeitfaktor beim engen Takt der Starts am Flughafen. Aber ohne den Job der 52 Enteiser hätte etwa die Condor-Maschine kaum eine Chance, in die Luft zu gelangen. Denn schon kleinste Schnee- und Eismengen verändern die Aerodynamik eines Flugzeuges stark. "Im schlimmsten Fall hat ein vereistes Flugzeug am Ende der Startbahn die Nase noch nicht oben", sagt Mugge und deutet auf den Jet, der im Wasserdampf aus den "Elephanten"-Rüsseln kaum mehr zu sehen ist: "Bei diesem Flieger war die Schneeschicht auf jeden Fall sicherheitsrelevant."

Entsprechend streng wird die Gründlichkeit der Enteiser überwacht. Mindestens eine Saison lang lernen sie ihr Handwerk. Danach stehen in jedem Jahr eine theoretische Prüfung und ein praktisches Training an, bevor der Winter startet.

Den härtesten Job am Airport haben die Enteiser allerdings nicht. Ihre Kabinen auf dem schwenkbaren Arm der "Elephanten" sind abgedichtet und beheizt. "Die Jungs arbeiten meist im T-Shirt", sagt Mugge. Mit einem Joystick manövrieren sie ihre Fahrzeuge selbst - und das Lenkrad unten im Wagen dreht sich wie von Geisterhand mit. Die Kabinen gelangen bis in eine Höhe von zwölf Metern. Der Rüssel mit den Sprühdüsen lässt sich auf weitere neun Meter ausfahren. So entgeht garantiert kein Eisklümpchen der Mannschaft.

Erst nach fast einer halben Stunde rollt die Condor-Maschine Richtung Startbahn. Die Passagiere waren während der gesamten Prozedur an Bord. Jetzt heißt es: Schnell abheben, so lange der Schutz noch frisch ist. Die Maschine donnert über die Rollbahn, und je mehr Geschwindigkeit sie aufnimmt, umso deutlicher sichtbar verliert sie ihren grünen Anti-Eis-Panzer. Das Gemisch zerstört sich ab 80 Knoten selbst, zerreißt seine eigene Molekülstruktur. Schließlich braucht der Jet den Schutz nur am Boden. Der bleibt als grünliche Pfütze zurück. "Keine Sorge", sagt Andreas Mugge. "Das Gemisch ist nicht schädlich für die Umwelt."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort