Wagenbaukünstler Jacques Tilly auf Raupentour in Polen

Der Karnevalswagen von 2017 fährt seit einem halben Jahr durch das Nachbarland, um für mehr Demokratie zu werben.

Wagenbaukünstler Jacques Tilly auf Raupentour in Polen
Foto: Ricarda Hinz

Das Sprichwort „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“ klingt ziemlich abgedroschen. Aber bei den Rosenmontagswagen von Wagenbaukünstler Jacques Tilly trifft diese Aussage meist den Kern. Besonders bei dem Wagen von 2017, auf dem die fünf gefräßigen Raupen Putin, Trump, Erdogan, Orban und Kaczynski das Demokratie-Blatt anknabbern und Stück für Stück asueinandernehmen. „Auch in Deutschland wird aufmerksam verfolgt, dass es im Grunde zwei Polen gibt. Den demokratischen, europafreundlichen Teil der Gesellschaft einerseits. Und andererseits den rechtskonservativen Teil der polnischen Gesellschaft. Polen ist gespalten in ein liberales und antiliberales Lager“, meint Tilly.

Diese Plastik hat den Friedensaktivisten in Polen so gut gefallen, dass sie Tilly gebeten haben, ihnen diesen Wagen zu überlassen, um damit auf große „Raupentour“ durch Polen zu gehen und für mehr Demokratie zu werben.

Seit einem halben Jahr fährt er nun schon durch Polen. Er wurde auf der ersten Tour auf einer Route von 15 000 km schon in 300 Städten gezeigt. Auch unter reger Anteilnahme der polnischen Presse. „Schon in Prag hat der Wagen ja gute Dienste geleistet. Es ist folglich der wahrscheinlich erfolgreichste Mottowagen, den ich je gebaut habe. Allein in Polen haben 40 Zeitungen über diese Aktion berichtet“, freut sich Tilly. Ein Wagen, der Politik nicht nur kommentiert, sondern Politik macht - und zwar in den betroffenen Ländern selbst, zum Ärger der dortigen rechtspopulistischen Regierungen. Eine Erfolgsgeschichte, mit der Tilly nie gerechtet hätte.

Polnische Demokratieaktivisten hatten ihn nun mit seiner Frau Ricarda eingeladen, um auf der Abschlusskundgebung der „Raupentour“ durch Polen auf dem Marktplatz in Krakau zu sprechen, gemeinsam mit dem von Jaroslaw Kaczynski entlassenen obersten Verfassungsrichter Andrzej Rzeplinski.

Dort allerdings fand er nicht nur Zustimmung. Es gab auch Leute, die Tilly bei seiner Rede ausgepfiffen haben. „Aber diese Menschen irren sich. Meine Wagen sind nicht polenfeindlich, sie sind einfach nur Kaczynskifeindlich. Polen ist ein wunderbares Land, mit einer langen und fantastischen Tradition des Freiheitskampfes.“ Tilly freut sich, dass sein Wagen eine so nachhaltige Wirkung hinterlässt. „Eigentlich werden sie ja nur für einen Tag gebaut. Aber die Aktivisten haben ihn wetterfest umgebaut.“

Tilly und seine Ehefrau nutzten die Einladung, um auch das Konzentrationslager in Auschwitz zu besichtigen. „Das hat uns alles sehr beeindruckt. Die Ausmaße der Massenvernichtung sind einfach unverstellbar. Dies ist wahrscheinlich der böseste Ort der Welt.“

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