Stadt-Teilchen Von falschen und richtigen Ausrufezeichen in Düsseldorf

Düsseldorf · Unser Kolumnist rechnet ab mit dem allzu inflationär gebrauchten Satzzeichen in Düsseldorf. An manchen Stellen passt es aber ganz gut.

 Das Ausrufezeichen auf den Gleisen vorm Ingenhovental hat durchaus eine Daseinsberechtigung. Bahnen sind eben stärker als Fußgänger.

Das Ausrufezeichen auf den Gleisen vorm Ingenhovental hat durchaus eine Daseinsberechtigung. Bahnen sind eben stärker als Fußgänger.

Foto: Nele Dohmen

Ausrufezeichen!!! Ich packe das gleich mal an den Anfang dieser Zeilen, denn Ausrufezeichen sind offenbar Pflicht, wenn man in dieser Stadt etwas sagen will. Ein Ausrufezeichen gehört in Düsseldorf nicht nur hinter den Imperativ, sondern praktisch hinter jeden Satz. Könnte ja jemand überhören, was man sagt oder schreibt. Deshalb wird zur Sicherheit mal rasch ein Ausrufezeichen ans Ende der Mitteilung gepackt. So wie Til Schweiger das gerne macht, wenn er mal wieder bei Facebook seine Wut über irgendwen kundtun möchte. Ausrufezeichen. Immer und überall!!!

Glauben Sie nicht? Ich beweise es Ihnen! Es beginnt, nach Zufallsprinzip ausgewählt, auf der Börnestraße. Dort lädt an den Scheiben der Nummer 10, wo früher der Tanzhaus-Vorläufer „Werkstatt“ residierte, ein aufmunternder Spruch zum kurzen Innehalten ein. „Trau dich! Ein Schiff, das im Hafen liegt, ist sicher. Aber dafür werden Schiffe nicht gebaut.“ Da steht das Ausrufezeichen hinter der Aufforderung „Trau dich!“ goldrichtig.

Aber schon ein paar Meter weiter geht es los mit dem Missbrauch des langen Strichs mit dem Punkt drunter. „Parkschein einfach per Handy bezahlen!“, steht da auf dem Parkscheinautomaten. Warum? Warum ein Ausrufezeichen? Ist das ein Befehl, dass ich nun meine Gebühr per Schlautelefon entrichten muss? Darf ich nicht mehr mit Bargeld bezahlen? Und überhaupt. Wer glaubt dieser Parkscheinautomat, dass er ist, dass er berechtigt sein soll, mir Befehle zu erteilen? Wenn ich meine Parkgebühr mit dem Handy bezahlen möchte, dann tue ich das, weil ich es will, nicht weil ich es muss.

Die Misere setzt sich in der Cantadorstraße fort. An einer Garageneinfahrt prangt ein Schild. „Unberechtigt parkende Fahrzeuge werden kostenpflichtig abgeschleppt!“ Mit Ausrufezeichen. Genauso gut könnte ich sagen „Es regnet!“ Immerhin macht es ein Garagenbesitzer ein paar Häuser weiter besser. „Ausfahrt Tag u. Nacht freihalten!“ Da könnte man über die Abkürzung für das „und“ streiten, die das Schild zu einer optischen Knickrigkeit degradiert, aber das Ausrufezeichen passt.

Genauso wie um die Ecke auf dem Wehrhahn. „Komm zu Baba!“, befiehlt ein Kebab-Laden. Korrekt! Nicht korrekt geht es dagegen im Kaufhof-Eingang ein paar Meter weiter zu. „Nur solange der Vorrat reicht!“, heißt es dort. Es kann bei dieser ausgerufenen Warnung nicht um in nur knappen Mengen vorrätige Ausrufezeichen gehen, denn davon sind in dieser Stadt offenbar genügend Exemplare vorhanden. Auch Karstadt macht es nicht besser. „Geshoppt, geliefert, geliebt!“, steht da am Fenster. Auweia!

Ein Taxi fährt auf der Tonhallenstraße die Behauptung „Kommt wie gerufen!“ spazieren, und von der 707 schreit mich die Werbung für ein Möbelhaus in der Nachbarstadt an: „Wo wohnen wenig kostet!“

Ich kann ja verstehen, dass man mit seiner Reklame auffallen möchte. Man möchte in stummer Schrift lauter sein als die anderen. Aber muss man immer gleich per Ausrufezeichen rumbrüllen? Was sagt mir das Ausrufezeichen mit dem C&A für die integrierte Kostümhändler-Filiale wirbt? „Jetzt auch hier!“ Ich hätte es auch ohne Ausrufezeichen zur Kenntnis genommen.

Natürlich kann jeder private Mensch mit Satzzeichen machen, was er will. Die US-Sängerin Pink etwa hat das Ausrufezeichen gleich in ihren Namen integriert. Sie schreibt sich P!nk. Soll heißen: Hallo, hier geht die Post ab, wenn ich komme. Darf sie machen. Sie ist schließlich Künstlerin. Als solche darf sie auch, wie sie es manchmal praktiziert, das Ausrufezeichen in ihrem Namen auf den Kopf stellen. Botschaft angekommen.

Aber muss es der Optiker auf der Schadowstraße ihr gleichtun? „Aktion nur noch 2 Tage!“, brüllt er. „Nochmals reduziert!“, schreit das Schuhhaus. Es sind Zufallsfunde, die hier aufgelistet sind, und ich musste zum Aufsammeln nicht einmal 500 Meter zurücklegen. Es wimmelt. Überall Ausrufezeichen. Ich bin umzingelt von Ausrufezeichen. Da heißt der große Supermarkt an der Ecke Graf-Adolf-Straße und Berliner Allee nicht Zurheide, sondern „Zurheide!“

Ich fürchte, ich kann mich diesem Wahn nicht länger verwehren. Ab sofort schreibe ich meine Heimatadresse nur noch mit Ausrufezeichen: „Düsseldorf!“ Klingt doof, aber immer noch besser als diese alberne, als Werbung missverstandene Leerformel „Nähe trifft Freiheit“. Die kommt zwar wunderlicher Weise ohne Ausrufezeichen aus, letztlich aber wohl nur, weil man ja nicht am Ende einer Leerformel eine Nullaussage bekräftigen kann. Das wissen sogar Karnevalisten, dass dreimal Null am Ende Null bleibt.

Zum Schluss meiner fußläufigen Beweisaufnahme bin ich dann aber doch noch auf ein versöhnliches Ausrufezeichen gestoßen. Auf den Gleisen zwischen der Ingenhoven-Tal-Baustelle und dem „P&C“-Bau habe ich es entdeckt. In einem rot gerandeten Dreieck präsentiert es sich schwarz auf weißem Grund und hat wirklich eine Berechtigung. Hier gilt „Vorfahrt achten!“ Die Straßenbahnen sind stärker, heißt es im Subtext. Und wer von einer Straßenbahn umgefahren wird, hat einen großen Nachteil. Er kann sehr lange keine Ausrufezeichen mehr benutzen. Für einen Düsseldorfer muss das sehr schmerzlich ein.

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