Von der Welt abgeschlossen in Urdenbach

Zwei Familien am Urdenbacher Ausleger leben zurzeit wie auf einer Hallig. Sie beurteilen ihre Situation relativ gelassen.

Düsseldorf. Das Wasser ist aus dem Haus, doch schon droht die nächste Flut. „Jetzt kriegen wir wahrscheinlich das Hochwasser vom Main und von der Mosel“, befürchtet Anneliese Opherden. Die 72-jährige betreibt mit ihrem Mann Günter die Gaststätte „Zum Toni“ in der Straße „Am Ausleger“ in Urdenbach.

Von freitags bis sonntags ist dort in den Wintermonaten geöffnet. Normalerweise. Jetzt haben die zwei dort lebenden Familien fünf Tage in ihren Wohnungen mitten im Hochwasser des Rheins ausgeharrt, zum Teil bei 30 Zentimeter Wasser im Gebäude. Am Mittwoch dann der erste Versuch, über den Landweg „auszubrechen“. „Bei uns ist es im Moment sehr dramatisch. Mein Mann hat versucht, mit dem Traktor Richtung Baumberg zu fahren. Dabei ist er in einer Mulde im Morast stecken geblieben“, erklärt Albertine Piel. Noch kurz vor Anbruch der Dunkelheit haben Freunde und Familienmitglieder mit vier weiteren Schleppern versucht, den Trecker der Piels aus dem Dreck zu ziehen. Die 77-Jährige und ihr Mann Hubert sind Nachbarn der Opherdens. Und sie sind so eine Art Schicksalsgemeinschaft. Bei Hochwasser mit Werten um acht Meter werden ihre Häuser von den Wassermassen eingeschlossen. „Aber wir sind versorgt“, beugt Anneliese Opherden Bedenken vor, es könnte an etwas mangeln. „Dann gibt es halt mal drei Tage hintereinander Nudeln mit Ketchup.“

Das ist freilich ein wenig dramatisiert, ergänzt die 72-Jährige. „Wir haben einen Kühltruhe in der Garage.“ Und die steht — mit Vorräten gefüllt — deutlich höher als das Haus. Das wurde im Jahre 1966 in weiser Voraussicht von den Opherdens auf Stahlbetonpfeiler gebaut. Vier Jahre zuvor hatten sie die Gaststätte aus dem Familienbesitz übernommen.

Und nun wird alles daran getan, diesen Familiensitz trotz des hohen Alters der Besitzer mit Muskelkraft instand zu setzen. Während die Nachbarn dabei sind, den Traktor wieder flott zu machen, kümmert sich Günter Opherden um den Gastronomiebereich unter der Wohnetage.

Schon jetzt schaufelt er den Matsch aus dem Untergeschoss des Gebäudes und spült mit Rheinwasser nach, obgleich die Hochwasserprognosen schlecht sind (siehe Seite 15). Doch eine Alternative gibt es nicht. „Der Matsch trocknet sonst und wird hart wie Beton“, sagt Opherden mit abgeklärter Routine. Schließlich haben die Familien am Urdenbacher Ausleger schon einige Hochwasser erlebt. Besonders schlimm sei es in den Jahren 1993 und ’95 gewesen. Davon habe man sich jedoch nicht kleinkriegen lassen — und lasse sich auch heute nicht mehr verpflanzen. „Wenn man hier mal 50 Jahre gelebt hat, kann man sich nicht mehr vom Rhein trennen.“ Viel dramatischer sind für die Urdenbacherin die Aussichten, wenn sich das Wasser wieder zurückzieht. „Das können Sie sich nicht vorstellen, was hier abläuft. Die Leute kommen in Scharen zu unserem Haus, um alles genau unter die Lupe zu nehmen.“ Doch auch für die Katastrophentouristen haben die Besitzer mittlerweile vorgesorgt und ziehen einen Maschendrahtzaun um ihren Besitz. Doch auch die Zaungäste sind ihnen jetzt schon gewiss. „Da kommt man sich vor wie im Zoo.“

Aber das kann nach Einschätzung der Seniorin noch einen Monat dauern. „Bis dahin genießen wir die Aussicht direkt auf den Rhein und die nahen Schiffe.“

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