Medizin : Notaufnahme im Krankenhaus bleibt zu oft die erste Anlaufstelle
Düsseldorf Portalpraxen oder Notfallzentren – noch immer gibt es keine klare Lösung. Zu Besuch im Marienhospital.
Problem erkannt – aber immer noch nicht gebannt. Erst im Februar verkündete Landesgesundheitsminister Karl-Josef Laumann eine Lösung des seit Jahren wachsenden Problems überfüllter Notaufnahmen und -ambulanzen von Krankenhäusern: die „Portalpraxis“. Patienten sollen in Krankenhäusern über einen zentralen Empfang („Ein-Tresen-Modell“) und ein strukturiertes Ersteinschätzungssystem zum richtigen Behandlungsort weitergeleitet werden − in die Notfallpraxis der niedergelassenen Ärzte, Notfallambulanz eines Krankenhauses oder in eine normale Arztpraxis zu den regulären Sprechzeiten. Darauf hatte sich ein breites Bündnis aus Ärzteschaft, Krankenhausgesellschaft, Politik und Krankenkassen verständigt.
Im Sommer preschte dann Bundesgesundheitsminister Jens Spahn mit seinem Modell vor: Es soll telefonische Notfallleitstellen, die die Notrufnummern 112 und 116117 (Bereitschaftsdienst) zusammenführen, sowie spezielle Notfallzentren eingerichtet werden, in denen Patienten je nach Schwere ihrer Erkrankung entweder in eine stationäre oder in eine ambulante Behandlung geschickt werden.
In Düsseldorf war die Debatte um die Notfallversorgung nach dem tragischen Tod eines siebenjährigen Jungen Ende 2017, dessen Symptome in der Notfallpraxis womöglich nicht ernst genug genommen worden waren, neu entbrannt. Für die Stadt hat Gesundheitsdezernent Andreas Meyer-Falcke große Sympathien für Laumanns Modell der Portalpraxen: „Es kommt darauf an, die Systeme der Notfallversorgung zusammenzudenken und an einzelnen Stellen auch zusammenzuführen“, sagt er. Es sei einfach ineffizient, wenn sowohl bei niedergelassenen Ärzten als auch bei den Klinikärzten ein Konkurrenzdenken vorherrsche und die Sorge darum, es sollten einem Patienten weggenommen werden. Auch Andreas-Paul Stieber, der Vorsitzendes des städtischen Gesundheitsausschusses, will endlich eine Lösung: „Jetzt konkurrieren schon wieder zwei Modelle, das bringt uns nicht weiter.“
Doch was sagen die Profis vor Ort in den Kliniken? „Uns ist prinzipiell jeder Patient willkommen“, stellt Dr. Georg Welty, der Leiter der Notaufnahme am Marienhospital in Pempelfort klar. Dass so viele Menschen ins Krankenhaus kämen, auch wenn es nicht immer geboten scheint, habe mehrere Gründe: „Ein häufiger Grund ist schlicht, dass sie bei ihrem Haus- oder Facharzt keinen Termin in angemessener Zeit bekommen.“
In Rage gerät der erfahrene Notfallmediziner, wenn man ihn nach der 2017 eingeführten „Abklärungspauschale“ fragt, die ein Krankenhaus in Höhe von 4 bis 9 Euro erstattet bekommt, wenn es einen Patienten nach kurzer Begutachtung nach Hause oder zum niedergelassenen Kollegen schickt: „Wer auf so eine Idee kommt, kann nie einen Menschen behandelt haben.“ Das Mindeste sei immer eine ordentliche Anamnese und körperliche Untersuchung. Husten oder Lungenentzündung, banales Bauchweh oder entzündeter Blinddarm, Kribbeln im Arm oder Schlaganfall: Das alles könne man nicht mit einem Blick in die Augen des Patienten klären. „Wer übernimmt denn andernfalls die Verantwortung für das Ergebnis einer solchen Minimaldiagnostik?“, fragt Welty, und fügt hinzu: „Im übrigen spottet es jeder Beschreibung, eine wie auch immer geartete kurze Begutachtung durch einen Arzt mit vier Euro entlohnen zu wollen.“