Verrät Autolack den Unfallfahrer?

Für den tödlichen Unfall an der Münchener Straße gibt es keine Zeugen. Die Polizei glaubt, den Fahrer dennoch zu finden.

Düsseldorf. Der 24-Jährige ist tot, der Unfallfahrer geflohen, kein Zeuge weit und breit — dennoch weiß die Polizei: Es war ein Renault-Lkw, der den jungen Mann am Samstagmorgen auf der Münchener Straße überrollt hat. Woher? „Es ist ein riesiges Puzzlespiel“, sagt Gundolf de Riese-Meyer, Leiter des Verkehrskommissariats 21. Alle Teile ergäben schließlich ein Bild. Und obwohl sich der Unfallfahrer noch immer nicht gestellt hat, ist die Chance, ihn zu fassen, laut de Riese-Meyer „sehr hoch“.

Generell sind die Ermittlungen bei einem tödlichen Unfall schwierig. „Bei Morddelikten liegt in der Regel eine Beziehungstat vor“, erklärt de Riese-Meyer. „Bei Unfällen aber ist es eine Zufallsbegegnung.“

Dennoch klärt die Polizei 49 Prozent aller Unfallfluchten auf, sogar über 60 Prozent bei Unfällen mit Personenschaden. „Das liegt aber daran, dass der Verletzte uns oft Hinweise geben kann.“ Im Fall Münchener Straße hingegen müssen die Spuren für das Opfer sprechen. Da sind zunächst Spuren auf der Fahrbahn. „An Bremsspuren kann ich schon einmal die Breite des Fahrzeugs erkennen“, sagt de Riese-Meyer. Abgebrochene Autoteile geben ebenfalls Hinweise: Sie weisen Produktionsstempel auf, die Aufschluss über Monat und Jahr der Herstellung geben. An der Münchener Straße war es ganz einfach: Auf einem Bruchstück des Scheinwerfers stand der Schriftzug Renault. Der Scheinwerfer stammt vermutlich aus einer Baureihe ab 2005.

Ein weiteres Puzzleteil ist der Lack. Gundolf de Riese-Meyer hofft, dass Partikel an der Kleidung des Toten hängen geblieben sind. „Die Überprüfung läuft noch.“ Beim LKA wird die Kleidung auf Spuren getestet, die unter dem Mikroskop und auf ihre chemische Zusammensetzung untersucht werden. Die Ergebnisse können mit einer Datei beim Bundeskriminalamt abgeglichen werden. LKA-Sprecher Frank Scheulen: „Dort sind alle gängigen Lacke erfasst.“ Marke, Modell und Baujahr des Unfallfahrzeugs können so eingegrenzt werden.

Wenn dies geschehen ist, muss die Polizei auf Zeugen hoffen — oder jedes infrage kommende Auto in Deutschland abklappern. „Zur Not machen wir das“, sagt de Riese-Meyer. „Und wenn es ein halbes Jahr dauert.“ Wenn er einen passenden Laster mit Schaden am linken Scheinwerfer vor sich hat, kann er auch sicher erkennen, ob dies der Unfallwagen ist, sagt der Kommissariatsleiter.

Dann wird es um die Frage der Schuld gehen. Schon am Wochenende fotografierten die Ermittler den Unfallort bis ins kleinste Detail durch. Aus den Bildern entsteht eine Skizze mit allen gefundenen Spuren. Auf ihrer Grundlage muss möglicherweise ein Richter irgendwann entscheiden, ob der Zusammenstoß vermeidbar war oder nicht.

Vermeidbar war in jedem Fall die Flucht des Fahrers. Fast 5400 Fälle von Unfallflucht gab es in Düsseldorf 2010. „Das sind keine typischen Straftäter“, sagt de Riese-Meyer. Die Motive seien breit gefächert. Meist gehe es schlicht um Angst: vor den Blicken der Nachbarn, dem Ärger mit den Eltern, bei Berufsfahrern vor dem Verlust des Jobs. Sich bei einem tödlichen Unfall aber auch Tage später nicht zu stellen: „Das ist schon eine besondere kriminelle Energie“, sagt der Polizist.

Deshalb macht die Polizei jetzt Druck. Sie inseriert in der Fachpresse, veröffentlicht den Fall in Online-Foren, plakatiert an Raststätten. Jeder, der einen Hinweis auf einen beschädigten Renault-Lkw hat, ist aufgerufen, sich zu melden: Telefon 8700.

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