Unternehmen bewerben sich

Auch Düsseldorf spürt den Mangel an Fachkräften. Jetzt suchen die Firmen nach Wegen, sich selbst aus der Krise zu helfen.

Seit Jahren hat IHK-Geschäftsführer Gregor Berghausen das Problem auf sich zukommen sehen: Den Unternehmen in Düsseldorf geht es vergleichsweise gut, die Anzahl junger Menschen geht zurück. "Ich habe immer gesagt: Wenn jetzt noch die Konjunktur anzieht . . ." Sie zog an. Mittlerweile gibt es in Düsseldorf doppelt so viele Ausbildungsplätze wie Bewerber, 52 Prozent der Unternehmen gaben in der Umfrage des letzten IHK-Konjunkturberichtes an, sie litten unter Fachkräftemangel. Im produzierenden Gewerbe waren es sogar zwei Drittel. Tendenz steigend. "Das ist auf jeden Fall ein Wachstumsproblem für Düsseldorf", meint Ulrich Biedendorf, ebenfalls IHK-Geschäftsführer.

Die Auswirkungen spürt Andreas Weber, Personalleiter bei SMS Demag. Die Anlagenbaufirma mit Sitz in Düsseltal hatte im vergangenen Jahr Auftragseingänge in einer Höhe von zwei Milliarden Euro. Für 2007 rechnet Weber mit drei Milliarden. Zudem will die SMS Demag eine komplett neue Sparte Elektrik und Automation aufbauen. 150 Ingenieure sucht Weber aktuell. Aber er findet sie nicht. Die Entwicklung des Unternehmens stockt.

Auch Vallourec & Mannesmann (V & M) in Rath sucht händeringend 60 Ingenieure. Während allerdings in Deutschland breit diskutiert wird, den großen Bedarf mit ausländischen Fachkräften zu decken, denken sich Düsseldorfer Unternehmen Wege aus, den heimischen Nachwuchs zu stärken. V & M bietet 2007 erstmals ein Kombi-Studium an der FH Bochum an, bei dem zehn Studenten pro Woche drei Tage im Betrieb und zwei Tage an der Hochschule sind. Sie bekommen ein Ausbildungsgehalt, Sprachkurse und Gebühren bezahlt.

Bei der SMS Demag gibt es dieses Dualstudium schon seit Jahren, die Studenten bekommen direkt einen Arbeitsvertrag. Derzeit zwölf Studenten an der FH Düsseldorf und der Uni Siegen sollen so nahtlos ins Unternehmen rutschen. Eine SMS-Stiftung fördert zudem zehn begabte Studenten.

Ein "Wettbewerb um die Besten" sei in der Wirtschaft ausgebrochen, erklärt Andreas Weber. Der Markt habe sich in einen Bewerbermarkt umgedreht. Die abstruse Folge: Unternehmen bewerben sich mittlerweile bei ihren potenziellen Arbeitnehmern.

Dabei sind nicht nur junge Deutsche im Fokus der Personalplaner. Auch in die älteren Mitarbeiter, die noch vor wenigen Jahren zuhauf in den Vorruhestand geschickt wurden, um Platz für den Nachwuchs zu schaffen, wird wieder investiert. Sie heißen jetzt "Silver Generation", werden mit Weiterbildungsprogrammen auf dem frischesten Stand der Technik gehalten.

Noch eine Zielgruppe hat die Industrie für sich entdeckt: die Frauen. Siemens stellt in seinem "Young Ladies’ Network of Technology" - kurz Yolante - Technik-Studentinnen Paten aus dem Betrieb zur Seite, lassen sie ins Unternehmen schnuppern. Seit zwei Jahren läuft das Programm - Michael Frenking, Siemens-Personalleiter der Region Nordrhein, hofft in Kürze auf die ersten Arbeitnehmerinnen durch Yolante.


Von Juliane Kinast

Zurzeit trifft ein großes Angebot an Stellen auf immer weniger Nachfrager. Die Arbeitnehmer halten alle Trümpfe in der Hand. Dieses umgekehrte Rollenverhältnis ist gefährlich für die Wirtschaft - und damit eine Chance. Es zeigt: Nachwuchs ist keine automatisch nachwachsende Ressource.

Ein positives Signal ist, dass einige Düsseldorfer Unternehmen jetzt nicht nach kurzfristigen politischen Lösungen rufen, sondern versuchen, eine neue Basis für qualifizierten deutschen Nachwuchs zu schaffen. Rauswerfen in schlechten und Einstellen in guten Zeiten - das ist kein Rezept mehr. Nur wer den so genannten Schweinezyklus mit strategischer Personalentwicklung durchbricht, wird langfristig innovativ sein können. Denn Innovation braucht eben Köpfe.

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