Uni-Klinik: „In zehn Jahren unter den Top5“

Der Chef der Uni-Klinik, Wolfgang Raab, über seine Vision, Impfungen gegen die Grippe und die Kunst Mitarbeiter zu motivieren.

Herr Professor Raab, in der Uni-Klinik hängen Schilder, wonach Menschen mit Fieber, Husten und Schnupfen auf Krankenbesuche verzichten sollen. Macht Sie die neue Grippe in Hinblick auf Herbst und Winter nervös?

Wolfgang Raab: Wir waren im Sommer vor allem durch die Diagnostik extrem belastet. Das hat sich derzeit zum Glück etwas abgeschwächt. Wir haben in den vergangenen Monaten sehr flexibel auf die Anforderungen und die extreme Belastung reagiert, schlaflose Nächte verbringe ich wegen der neuen Grippe also nicht. Bisher ist die Pandemie mild verlaufen, wir müssen aber von einer zweiten und dritten Welle ausgehen. Sobald der Impfstoff Anfang November da ist, werden wir unsere Mitarbeiter offensiv auffordern, sich impfen zu lassen.

Müssen sich alle impfen lassen?

Raab: Wir können keinen Impfzwang aussprechen, aber werden andere Wege beschreiten. Meine Empfehlung ist, dass Mitarbeiter, die sich weder gegen die neue noch gegen die saisonale Grippe impfen lassen, während der Arbeitszeit dauerhaft Mundschutz tragen müssen. Wir werden nicht nur Impftermine anbieten, sondern auch Impfteams dorthin schicken, wo die Mitarbeiter sind, etwa zu Schichtübergaben oder in Besprechungen. So entsteht hoffentlich ein sanfter Druck. Ich kann nicht riskieren, dass sich etwa Mitarbeiter einer Intensivstation anstecken und tagelang ausfallen. Das wäre eine fatale Situation, weil wir so hochspezialisiertes Personal nicht einfach ersetzen können.

Sie sind dafür bekannt, Ihre Vorstellungen rasch umzusetzen. Was ist Ihre Vision für die Uni-Klinik?

Raab: In zehn Jahren, das ist meine Vision, ist die Uni-Klinik unter den Top 5 in Deutschland. Einmal hinsichtlich des Leistungsspektrums, wir gehören schon jetzt zu den wenigen Universitätskliniken, die es in den vergangenen drei Jahren geschafft haben, kontinuierlich den Schweregrad der behandelten Erkrankungen zu steigern. Unser Anspruch, den wir ausbauen wollen, ist, komplexe Fälle zu behandeln. 2020 haben wir hoffentlich ein seit fünf Jahren gut laufendes Zentrum Operative Medizin III (ZOM III). Darüber hinaus werden wir in der Region eine bedeutende Rolle spielen - durch die Zusammenarbeit mit den Krankenhäusern und den Einweisern. Ich sehe unser Haus zwar nicht als regionalen Gesundheitsanbieter, aber als einen Anbieter in der Region. Wir wollen unser Profil so weit schärfen, dass es irgendwann heißt, für diesen oder jenen Eingriff gehe ich nach Düsseldorf.

Das bedeutet im Umkehrschluss, dass Sie sich von anderen Bereichen verabschieden werden . . .

Raab: Wir werden auf Dauer nicht alles anbieten können, das ist klar. Daher werden sicher einige Bereiche wegfallen, etwa aus dem Spektrum der leichteren Eingriffe. Salopp gesagt, muss sich eine Universitätsklinik nicht um eine unkomplizierte Blinddarm-OP kümmern. Es ist zwar wichtig, dass wir so etwas theoretisch anbieten, aber operiert werden muss ja nicht bei uns. Ich stelle mir etwa vor, dass unsere Assistenz-Ärzte rotieren und weniger aufwändige Operationen in anderen Kliniken lernen. Umgekehrt können Ärzte aus Krankenhäusern, die keine vollumfängliche Weiterbildungsermächtigung haben, bei uns arbeiten.

Sie haben gerade das Stichwort ZOM III genannt. Das zweite Zentrum ist noch nicht eröffnet, und Sie planen schon weiter?

Raab: Ich denke, man sollte sich da keine großen Verschnaufpausen gönnen. Das ZOM III ist nötig, weil wir dort Herzchirurgie und Kardiologie räumlich zu einem Herzzentrum zusammenfassen wollen. Wir wollen aber auch die Bereiche Gynäkologie und Urologie zusammenfassen. Das ZOM III entsteht neben der heutigen MNR-Klinik und dem Rektorat und wird später den Endpunkt einer Magistrale von der Moorenstraße bis zur Universität bilden.

Wie schaffen Sie es, zum Teil verkrustete Strukturen in den Kliniken zu durchbrechen und dabei die Mitarbeiter nicht zu verlieren?

Raab: Manchmal ist es schon schwierig, in bestimmten, etablierten Strukturen Dinge zu ändern und Leistungen einzufordern. Dazu muss ich meinen Mitarbeitern zunächst etwas vorleben. Wenn ich erst um 9 Uhr komme und um 17.30 Uhr wieder gehe, kann ich schlecht von anderen Leistung verlangen. Wenn Sie Verantwortung nach unten delegieren wollen, müssen zwei Parameter erfüllt sein. Die Qualifikation der Mitarbeiter und ihre Identifizierung mit dem Gesamtunternehmen.

Wie erreichen Sie Identifikation?

Raab: Das hat in erster Linie damit zu tun, dass sich die Mitarbeiter respektiert fühlen - und zwar unabhängig von der jeweiligen Person. Ich muss die Leistung anerkennen, die Leute müssen merken: Aha, meine Leistung hat einen Wert fürs Unternehmen. Erst dann ist Ihr Gegenüber bereit, sich an die passende Stelle im Unternehmen einzuordnen. So etwas ist aber immer ein schwieriger Abstimmungsprozess in der Personalentwicklung, weil sich viele Mitarbeiter in Bereichen befinden, die gar nicht ihren Möglichkeiten entsprechen - sie sind unterfordert, überfordert oder falsch gefordert.

Wie motivieren Sie Mitarbeiter?

Raab: Ich bin davon überzeugt, dass man Mitarbeiter nur eingeschränkt motivieren kann. Ich kann sie allerdings schnell demotivieren, wenn sie etwa an der falschen Stelle eingesetzt sind oder das Gefühl haben, dass ihre Arbeit permanent nicht wertgeschätzt wird.

Wie transportieren Sie diesen Geist in die Kliniken, die strikt hierarchisch organisiert sind?

Raab: Hierarchische Strukturen müssen dem nicht unbedingt widersprechen. Abgesehen davon gibt es in den Kliniken einen großen Vorteil, den die Medizin mit sich bringt. Die Mitarbeiter wissen zu jeder Zeit, dass sie etwas Nützliches tun. Niemand fragt sich grundsätzlich, ob seine Arbeit sinnvoll ist. In der Verwaltung hingegen fragen sich Mitarbeiter schon, wo befinde ich mich gerade, warum mache ich gerade diese oder jene Arbeit. Da muss ich den Leuten klarmachen, wo wir gemeinsam hinwollen.

Sie haben Herzchirurgie und Kardiologie mit ausgewiesenen Experten besetzt. Wie überzeugt man Kandidaten vom Standort Düsseldorf, der nicht im Verdacht steht, gänzlich exzellent zu sein?

Raab: Düsseldorf steht nicht pauschal unter Exzellenz-Verdacht, da gebe ich Ihnen recht. Aber in Düsseldorf gibt es so etwas wie den Hoffenheim-Effekt. Ich kenne keinen Standort in Deutschland, der in den vergangenen drei Jahren so eine fast schon dramatisch positive Entwicklung hingelegt hat wie Düsseldorf.

Wie meinen Sie das?

Raab: Als ich die Uni-Klinik als Ärztlicher Direktor übernommen habe, hatten wir ein prognostiziertes Minus von fast 19 Millionen Euro, wir haben daraus eine schwarze Null gemacht. 2007 waren wir von unserer Bilanzstruktur her der drittbeste Standort in Deutschland. Das ist ein Erfolg, der von vielen gar nicht richtig wahrgenommen wird. Bei unseren Berufungen haben wir gesehen, dass wir in der Lage sind, völlig neue Konzepte anzubieten. Neu berufene Klinikchefs sehen diese Entwicklung.

Muss man Professoren freie Hand lassen, damit sie ihre Vorstellungen umsetzen können?

Raab: Wenn wir sie zu stark ans Gängelband legen, werden wir sie automatisch demotivieren, das ist klar. Die Gestaltung des eigenen Freiraums innerhalb der Medizin ist sicherlich eine wichtige Größe, um den Spaßfaktor bei der Arbeit zu erhalten. Die Professoren Kelm und Lichtenberg (Kardiologie und Herzchirurgie, Anm. d. Red.) haben basal freie Hand, wie sie das neue Herzzentrum konzeptionell mit Leben füllen können. So fern es von den äußeren Bedingungen her machbar ist.

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