Verkehrskonzept Umweltspur in Düsseldorf - 47 Minuten für drei Kilometer

Düsseldorf · Stau, Stau, Stau zwischen Dreieck Düsseldorf-Süd und dem Start der Spur. Auch Linienbusse stehen. Die Polizei beobachtet, ob Gefahr im Verzug ist.

 Die neue Umweltspur im Süden der Landeshauptstadt Düsseldorf erhitzt die Gemüter – bei Politikern wie Pendlern.

Die neue Umweltspur im Süden der Landeshauptstadt Düsseldorf erhitzt die Gemüter – bei Politikern wie Pendlern.

Foto: dpa/David Young

Montagmorgen, der erste Tag nach Ferienende. Der erste Tag, an dem es gilt für die Pendler aus Wuppertal, dem Kreis Mettmann, Solingen oder anderen Städten im Bergischen: die neue Umweltspur von der A46-Abfahrt „Zentrum“ bis zur Cornelius­straße im ganz normalen Berufsverkehr-Wahnsinn. Und während sich die Blechlawine zäh in die City der Landeshauptstadt wälzt, entspinnt sich zwischen Stadt und Land ein politisches Schwarzer-Peter-Spiel.

Die Sonne scheint an diesem Morgen golden über dem Autobahndreieck Düsseldorf-Süd, bis hierher fließt der Verkehr flüssig. Dann stockt er plötzlich auf allen drei Spuren. Auf der langen Abfahrt Richtung Eller stehen die Autos in zwei Schlangen – es ist die Alternativroute, die etwa Google Maps Fahrern aus Richtung Wuppertal jetzt empfiehlt. Entschleunigt geht es weiter Richtung Fleher Brücke, ab der Einfahrt in den Werstener Tunnel allerdings ist es damit vorbei: Der Verkehr steht auf zwei Spuren fast vollständig.

Von links drängelt sich ein Rheinbahnbus der Linie 785 auf die rechte Spur. Der ­ÖPNV­ soll über die Umweltspur selbst später flüssiger rollen als bisher; einstweilen steht er mit im Rückstau, den sie verursacht. Vier Buslinien (SB50, 780, 782 und 785) der Düsseldorfer Rheinbahn verkehren hier. „Zwischen 7.30 und 9 Uhr hatten einige unserer Busse extrem hohe Verspätungen“, sagt Katharina Natus, Sprecherin des Verkehrsunternehmens, später gegenüber dieser Zeitung. Ob das am Umweltspur-Rückstau liege, werde noch ermittelt – es wäre freilich ein Treppenwitz, soll die Verkehrsänderung gerade den ÖPNV doch beschleunigen.

Umweltspur in Düsseldorf: 47 Minuten für drei Kilometer
Foto: klxm.de

Vor der Abfahrt „Zentrum“ fädeln sich Autos noch schnell ein

Ein Tanklasterfahrer, der wohl weiter Richtung Neuss will, zieht aus der Schlange links raus und zwingt so einen schwarzen Kleinwagen zu einer zackigen Bremsung. 100 Meter weiter beginnt die Einfädelei von Autofahrern, die den Rückstau so weit wie möglich umfahren wollten und jetzt vor dem Verzögerungsstreifen Richtung City einscheren müssen – begleitet vom wütenden Hupen derer, die schon seit fünf Minuten im Stop-and-go durch den Tunnel schleichen, und derer, die bloß an Düsseldorf vorüberfahren wollen und nun auf allen drei Autobahnspuren ausgebremst werden.

Genau 16 Minuten hat es gedauert, um einmal durch den wenige hundert Meter langen Tunnel zu kriechen. Ein Polizeiwagen fährt rechts auf dem Standstreifen vorbei, kurze Zeit später einer mit Blaulicht und Martinshorn durch eine Rettungsgasse zwischen den Stau-Stehern. Mit der Umweltspur habe derlei nichts zu tun, heißt es vom Düsseldorfer Polizeipräsidium: „Wir haben da keinen ständigen Einsatz“, sagt Sprecher André Hartwich. „Wir klären auf und beobachten.“ Ob dabei eine Gefährdung festgestellt werde? „Wir haben noch keine eindeutige Bewertung dazu.“

Auch hinter der Autobahnabfahrt herrscht Stau, Stau, Stau. Eine Ampel auf der Werstener Straße springt auf Grün, die rechte Spur komplett frei, die Blechlawine daneben rollt kein Stück. Am rechten Fahrbahnrand wirbt eine digitale Tafel für das Pendlerportal. Die geschätzt zu 90 Prozent mit nur einer Person besetzten Fahrzeuge sollen minimiert werden. Noch sind weit und breit keine Fahrgemeinschaften zu sehen. Selbst ein Rettungswagen, der gerade nicht im Einsatz ist, muss sich in den Stau einreihen.

Die Autofahrer nutzen die Zeit vielseitig. Sie gucken aufs Handy oder in den Spiegel, ziehen an der Zigarette oder den Lippenstift nach. Andere frühstücken. Wieder andere nehmen es mit Humor und winken den Fotografen zu, die sich auf Brücken positioniert haben, oder den vorbeiziehenden Radfahrern. Hinter einer Fahrradfahrerin mit Kind im Anhänger zuckelt ein Taxi her. Überholen unmöglich. Plötzlich versperrt auch eine Kutsche die freie Fahrt. Ist die überhaupt auf der Umweltspur erlaubt? Es ist die Aktion eines Düsseldorfer Entertainers, der Bier – Altbier natürlich – an die Stauopfer verteilt. Wenigstens kurz erhellt sich das Gesicht der Beschenkten.

So gar keine Freude kommt bei den Anwohnern der Werstener Straße auf. „Das ist der größte Quatsch überhaupt, diese Umweltspur“, sagt eine Anwohnerin, die anonym bleiben will. „Die Leute stehen noch länger im Stau. Effektiv ist das nicht.“ Um ihren Sohn in den Kindergarten zu bringen, muss sie sich rückwärts und die Umweltspur querend in den Stau einreihen. Ein Elektro-Auto kaufen will sie nicht. „Die Leute mit E-Auto müssen ab der Autobahn erst einmal die Umweltspur erreichen, um darauf fahren zu können. Das ist der totale Krieg.“

Allein von der A46-Ausfahrt „Zentrum“ bis zum eigentlichen Beginn der Umweltspur braucht es im Auto-Selbstversuch 20 Minuten. Immerhin: Einmal bis hierhin geschafft, geht es zum ersten Mal seit etlichen Kilometern im zweiten Gang voran. Ein Radfahrer zieht dennoch mühelos vorbei, dann zwei Taxis, ein Schulbus, ein Tesla. Ab der Uni-Klinik wird der Berufsverkehr flüssiger, tatsächlich braucht der Weg vom Start der Umweltspur bis zum Ende an der Corneliusstraße bloß unspektakuläre fünf Minuten . Das Problem: Vom Kreuz Düsseldorf-Süd bis zum Umweltspur-Start an der Werstener Straße war es mehr als eine Dreiviertelstunde – für eine Strecke von etwa drei Kilometern.

Verkehrsminister: Ausbau im ÖPNV und Radverkehr zuerst

Das kann nicht angehen, findet zumindest NRW-Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU): Pendler dürften nicht wie Störenfriede behandelt werden, trügen sie doch entscheidend zur wirtschaftlichen Stärke der Landeshauptstadt bei. Zudem sei die Einrichtung der dritten Umweltspur (ein weiteres Teilstück führt von Norden kommend über Fischer- und Kaiserstraße Richtung Innenstadt) beschlossen worden, bevor die vom Ministerium angeforderten Berichte zu den bereits existierenden Umweltspuren an Merowinger- und Prinz-Georg-Straße vorgelegen hätten. Auch zur dritten Umweltspur, so Wüst, werde man Berichte anfordern. Die Haltung seines Hauses sei, dass eine Verbesserung des Angebotes im ­ÖPNV sowie für Radfahrer Priorität haben.

Düsseldorfs Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) zeigt sich irritiert von diesen Aussagen: „Die dritte Umweltspur wurde auf Betreiben des Landes von Umweltministerin Ursula Heinen Esser in den Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt Düsseldorf aufgenommen – auf der Grundlage einer Übereinkunft mit der Bezirksregierung und der Landeshauptstadt“, sagte er dieser Zeitung auf Anfrage. Ohnehin wiegelt man bei der Stadtverwaltung ab, die Lage an diesem Montag sei „vergleichbar mit den üblichen verkehrlichen Verhältnissen nach den Herbstferien“, so das Amt für Kommunikation: „Mega-Staus sind nicht entstanden.“

Stadtspitze äußert sich Dienstag zur Zukunft des Projekts

Allerdings habe es 300 Kilometer Stau im ganzen Bundesland gegeben. „Auf die Umweltspur entfiel dabei nur ein kleiner Anteil“, sagt Geisel und spielt den Ball zurück zu Wüst: „Mit seiner Kritik an der Umweltspur kann der Verkehrsminister nicht davon ablenken, dass er im Wahlkampf versprochen hatte, NRW vom Ruf des Staulandes zu befreien. Ganz offensichtlich gibt es hier noch zahlreiche Baustellen.“ Ob der Verkehrsversuch Umweltspur in Düsseldorf vor dem Scheitern steht, darauf gibt das Stadtoberhaupt vorerst keine Antwort. Das könnte sich am Dienstag ändern: Geisel und seine Verkehrsdezernentin Cornelia Zuschke haben die Presse eingeladen, wollen einen Zwischenstand und Ausblick geben. Immerhin ist geplant, die Umweltspur durch die komplette Innenstadt zu verlängern – in beide Richtungen.

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