Rheinische Philosophen „Die Stars selber sind ganz entspannt“

Düsseldorf · Rheinische Philosophen Wolfgang Weege ist Pförtner der Tonhalle. Im Interview gibt er Einblicke in die Welt hinter der Bühne.

 Wolfgang Weege ist seit 2002 einer der Pförtner in der Tonhalle – hier in seiner Pförtnerloge. In seinem Beruf braucht es viel Menschenkenntnis.

Wolfgang Weege ist seit 2002 einer der Pförtner in der Tonhalle – hier in seiner Pförtnerloge. In seinem Beruf braucht es viel Menschenkenntnis.

Foto: Christian Oscar Gazsi Laki

Seit wann sind Sie Pförtner in der Tonhalle?

Wolfgang Weege: Ich arbeite hier als Pförtner seit August 2002, das sind 17 Jahre. Dass ich Pförtner in der Tonhalle wurde, war mehr oder weniger Zufall. Ich habe die Annonce – es war damals noch die Stadt Düsseldorf – gesehen, dort hieß es, es werde ein Pförtner gesucht als Angestellter im öffentlichen Dienst. Zwei Jobs wurden vergeben, vierzig Bewerber wurden in die engere Wahl genommen; ich musste also 38 Mitbewerber ausstechen.

Haben Sie von sich aus einen Bezug zu dem, was in der Tonhalle passiert? Sind Sie ein Musikfreund?

Weege: Das ist ein wunder Punkt, ich kann nicht einmal Noten lesen. Das ist schon ein bisschen schade, wenn man für so ein Haus wie die Tonhalle arbeitet. Aber das hat auch mit einer nicht besonders talentierten Musiklehrerin in meiner Jugend zu tun. Die hat meiner gesamten Klasse die Freude an Musik und Notenlesen ausgetrieben. Ich habe mir mit 16 dennoch eine Gitarre schenken lassen und habe auch munter darauf losgeklampft. Aber das Stimmen war ein Problem. Wenn die Töne ziemlich dicht beieinander sind, höre ich den Unterschied nicht mehr.

Was hören Sie gerne für Musik?

Weege: Ich bin in den 70er Jahren aufgewachsen, also Jimi Hendrix, Pink Floyd, die Rolling Stones. Ich höre gerne sphärische Musik. Wir hatten hier mal ein Konzert von Schiller, solche Musik gefällt mir sehr.

Wie nehmen Sie die Stimmung im Backstage-Bereich wahr? Wie sind die Schwingungen, insbesondere wenn die großen Stars ein und aus gehen?

Weege: Ich mache kein Unterschied zwischen Star oder Klempner, der hier reinkommt. Ganz im Gegenteil, da hat der Handwerker manchmal Interessanteres zu erzählen als der große Star. Aber es gab auch immer wieder schöne Begegnungen mit Prominenten, Volker Pispers beispielsweise. Mit dem haben wir ein bisschen rumgewitzelt. Ich empfand ihn als sehr netten Menschen. An Reinhard May erinnere ich mich auch als eine sehr nette, zugängliche Person. Bei Dieter Nuhr allerdings habe ich im Laufe der Zeit eine Veränderung gesehen. Am Anfang, als er noch relativ unbekannt war, wirkte er noch deutlich zugänglicher.

Sie haben eine Vorliebe für Kabarettisten.

Weege: Auch Mathias Richling ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Wir können gut miteinander, sind ins Gespräch gekommen. Dann hatten wir 2007 den großen Umbau und die Aufgänge zur Bühne wurden etwas verlegt. Danach kamen Künstler, die merkten, dass irgendetwas anders ist, konnten es aber nicht genau benennen. Doch Richling war einer, der konnte genau sagen, bis ins Detail, was sich verändert hatte. Das hat mich fasziniert. Der Mann hatte ein eidetisches Bild von dem Backstage-Bereich im Kopf.

Merkt man es Menschen eigentlich an, wenn gleich der große Auftritt folgt?

Weege: Es gibt einige Künstler, bei denen spürt man, dass sie Lampenfieber haben. Andere sind sehr professionell. Aber ich mache da nicht viel Unterschied. Wenn wir populäre Konzerte in der Tonhalle von Fremdveranstaltern haben, da stehen draußen vor dem Künstlereingang gerne mal 300 Menschen und wollen Autogramme oder ein Foto machen. Bei solchen Stars schwirrt die Entourage häufig herum, wie die Hummeln, ganz aufgeregt, mit hochrotem Köpfen, und der Star selber ist ganz entspannt.

Gab es auch Skandälchen?

Weege: Es gab beispielsweise einen berühmten Künstler, der weltbeste in seinem Fach, der in seiner Garderobe nach dem Konzert eine Nachfeier gemacht hat. Dagegen ist natürlich nichts zu sagen, aber wenn der Alkoholpegel steigt, scheint das Rauchverbot plötzlich nicht mehr zu gelten. Darauf achte ich sehr – es ist ein öffentliches Haus und das Gesetz ist aus gutem Grund da. Wenn dann Menschen meinen, sie müssten sich nicht an die Regeln halten, gibt es ein bisschen Ärger.

Gibt es auch mal besonders eifrige Musikliebhaber, die sich hintenrum in den Backstage-Bereich hereinschleichen wollen?

Weege: Ständig. Das passiert oft. Es gibt beispielsweise auch einen extremeren Fall. Einen Stalker einer Pianistin. Da kam dann dieser sehr gut gekleidete junge Mann mit ausgezeichneten Manieren herein und verwickelte mich in ein Gespräch, erwähnte auch die Pianistin, sagte er sei selbst Pianist. Er hielt sich etwa eine Stunde hier auf und ging. Am nächsten Tag kam er – wohlwissend, dass ich ihn schon kenne – und durfte sich an den Warte-Tisch neben meiner Loge setzen. Die Treppen zum eigentlichen Garderobenbereich darf übrigens niemand hoch, der nicht auf der Gästeliste steht. Als die Pianistin mit ihrer Begleitung kam, gab es natürlich Ärger. Der Mann wurde herausbugsiert. Es steht aber den Menschen nicht auf die Stirn geschrieben, „Ich bin ein Stalker“ oder „Ich bin verrückt“. Aber dann gibt es natürlich auch die ganz gesitteten Autogrammsammler. Das mögen viele Künstler sehr, sagen, es ist ja mein Geschäft, es sind ja sozusagen meine Kunden.

Da hilft Menschenkenntnis. Können Sie sich die ganzen Menschen merken, die hier Tag für Tag ein und aus gehen?

Weege: Namen kann ich mir nicht gut merken, aber was ich sehr gut kann, ist Gesichter in Erinnerung zu behalten. Bei manchen Veranstaltungen sind es Hunderte von Menschen hinter der Bühne. Da muss man Fingerspitzengefühl haben – wer darf rein und wer nicht. Wer Menschen schlecht einschätzen kann, hat es schwer bei dem Job. Ich persönlich habe da aber immer schon ein Gefühl für gehabt.

Wie hat sich das Verhalten der Menschen im Laufe der Jahre geändert? Ich denke da auch an Manieren.

Weege: Es hat sich etwas geändert. Die Veränderung kam mit dem mobilen Internet – ich benutze das selber. Das Handy in der Hand, sich mit irgendetwas ablenken. Was dazu führt, dass die Menschen weniger miteinander umgehen. Sie reden weniger miteinander. Nicht immer und überall, aber in der Tendenz. Ich habe eine Tochter, die ist 18 Jahre alt. In der Generation ist es noch stärker ausgeprägt.

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