Teenager steht Tastenwelt offen

Australischer Jungpianist Shuan Hern Lee eröffnete neue Reihe.

Teenager steht Tastenwelt offen
Foto: Tom McKenzie

Es ist wie eine Schatzsuche, hochbegabten jungen Musikern zuzuhören. Manchmal trifft man auf eine Goldader. Mit dem australischen, asiatisch aussehenden Pianisten Shuan Hern Lee gastierte nun ein junger Hochkaräter im Robert-Schumann-Saal. Mit ihm startete die neue Konzertreihe „Talente entdecken“, die Heinersdorff in Düsseldorf veranstaltet. Drei Konzerte folgen noch in dieser Saison.

Shuan Hern Lee hat im vergangenen Frühjahr den 1. Preis bei der Internationalen Robert-Schumann-Competition für junge Pianisten in Düsseldorf gewonnen. Nun kam der 15-Jährige ein zweites Mal an den Rhein, um einen beachtlichen Teil seines Repertoires vorzuführen: die Chromatische Fantasie und Fuge d-Moll von Johann Sebastian Bach, Ludwig van Beethovens Waldstein-Sonate sowie die Sonaten b-Moll Frédéric Chopins und g-Moll Robert Schumanns. Und der Teenager hatte noch Musik des Zeitgenossen Carl Vine (geb. 1954) dabei: ein furioses Stück namens „Toccatissimo“.

Schon innerhalb weniger Minuten kann der Pianist seinen Hörern klar machen, dass man sich um seine Sicherheit beim Klavierspielen keine Sorgen machen muss. Jedes Werk spielt er technisch souverän, klanglich ausgewogen und einfach blitzsauber. Da steht jemandem ganz offensichtlich die ganze Tastenwelt offen. Los geht es mit dem sehr transparenten und analytisch vorgetragenen Bach, gefolgt von einer technisch tadellosen Beethoven-Sonate.

Nun kann man von einem 15-Jährigen nicht unbedingt erwarten, dass er allen Geheimnissen der Musik so weit auf den Grund geht wie ein erfahrener Musiker. Kein Wunder, dass in puncto Ausdruck noch nicht alle Nuancen zum Klingen gebracht werden. Die Interpretation wirkt penibel und korrekt, klanglich schon sehr voll und warm, aber eben auch etwas nüchtern und neutral. Bei Beethoven fehlt denn doch etwas das Kühne und Wilde, das dem aus Bonn stammenden Wahl-Wiener ja zueigen ist.

Die gleichen Qualitäten und Grenzen sind bei Chopin und Schumann zu beobachten: Die Dramatik des 1. Chopin-Satzes kommt nur zaghaft zum Ausdruck, während der koboldartige Sarkasmus des Scherzos auch etwas zu brav daher kommt. In der frühen Schumann-Sonate zahlt sich das akkurate und agile Spiel des talentierten Teenagers am besten aus, da ihr Ausdrucksradius nicht besonders groß ist. Zum Glück kann sich Shuan Hern Lee, der noch als Jungstudent an der Westaustralischen Universität eingetragen ist, noch über Jahre entwickeln. Sein pianistisches Rüstzeug ist ja nun mal ganz exzellent. Starker Beifall im mäßig besuchten Schumann-Saal.

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