Tausendfüßler: Und wenn die Straße bleibt?

In Kürze sagt das Land, ob das Denkmal fallen darf. Beispiele zeigen, wie man solche Bauwerke umfunktionieren kann.

Düsseldorf. Die Stadtspitze um OB Dirk Elbers geht fest davon aus, dass die Landesregierung dem Prinzip der kommunalen Selbstverwaltung folgt und dem Abriss des Tausendfüßlers zustimmt. Aber angenommen, Minister Harry K. Voigtsberger besteht auf einem Erhalt des Baudenkmals: Was könnte aus der Hochstraße dann noch werden?

Erfolgreiche Projekte in Paris und New York zeigen Perspektiven auf. Nicht weit von der Pariser Bastille, gleich hinter der Oper, liegt ein altes Bahnviadukt aus dem 19. Jahrhundert. Während der stillgelegte Bahnhof 1984 dem Opernbau Platz machte, setzte Paris bei der Hochstraße auf Umnutzung: Das 1,4 Kilometer lange, acht Meter breite Bauwerk wurde Ende der 1980er Jahre restauriert. Unter den 60 Viaduktbögen laden heute kleine Läden und Ateliers von Kunsthandwerkern zum Schauen und Shoppen ein. Parallel dazu entfaltet sich auf dem Dach eine grüne Promenade: Schnurgrade führt eine Lindenallee über das Bauwerk. Kleine Plätze und Themengärten wie ein Rosen- oder ein Bambushain laden zum Verweilen ein. Praktischerweise musste der Bestand dafür nicht einmal konstruktiv ertüchtigt werden. Lediglich Dränagen aus Beton und Kies mussten gelegt, Treppenaufgänge und barrierefreie Aufzüge geschaffen werden.

Dass eine Nachnutzung auch mit weniger massiven Bauwerken klappt, zeigt der aktuelle High Line Park im Südwesten Manhattans. Die New Yorker Stararchitekten Diller+Scofidio+Renzo machten aus einer auf Stahlstützen gelagerten Bahntrasse eine begehbare Freiraummeile. Ein barrierefreier Fußweg aus Betonelementen verläuft zwischen minimalistischer Bepflanzung und Resten des alten Schienennetzes. Vorbei geht es an Wasserbecken und einem Sonnendeck mit Gastronomie und Aussicht auf den Hudson River. Von einem Amphitheater aus werden spektakuläre Ausblicke auf den Verkehr der 10th Avenue möglich.

Da das gesamte Bauwerk auseinandergenommen, Treppen und Aufzüge ergänzt werden mussten, liegen die Baukosten aktuell bei 200 Millionen Dollar. Finanziert wird die bisher etwa 1,7 Kilometer lange Anlage zu 70 Prozent aus Spenden einer Bürgerinitiative.

Beide Projekte sind nicht nur gestalterisch überzeugende Lösungen. Sie sind auch innovative städtebauliche Aufwertungsprojekte. Vor allem die New Yorker High Line ist ein starker Motor für die Umwandlung benachbarter Lagerhausbrachen. Im Fall des City-zentralen Tausendfüßlers wären die Rahmenbedingungen sicherlich andere. Bevor die umstrittene Hochstraße aber als funktionsloses Denkmal des Autozeitalters im Stadtraum endet, wäre eine Nachnutzung zu überdenken. Als öffentliches Grün- und Aussichtsdeck über dem Trubel der Stadt müsste das Bauwerk um einiges poröser werden: Zugangsmöglichkeiten müssten erhöht, Öffnungen geschaffen werden, um auch die Aufenthaltsqualität darunterliegender Zonen zu verbessern. Ob das technisch-konstruktiv machbar und mit dem Denkmalschutz vereinbar ist, wäre zu klären.

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