Düsseldorf Studieren überwindet nationale Konflikte

Ehemaligentreffen des Studiengangs European Studies: Die Studenten kommen aus dem Nahen Osten. Manche sind gute Freunde geworden.

Düsseldorf: Studieren überwindet nationale Konflikte
Foto: Sergej Lepke

Düsseldorf. Hadeel Mmuzayan kann sich noch gut an ihre erste Begegnung mit einem Israeli in Düsseldorf erinnern. „Er saß auf den Stufen einer Treppe und hat mir geholfen. Bei etwas Alltäglichem.“ Sie lacht, das hatte sie gefreut damals. Für die 30-jährige Palästinenserin wäre ein so normales Treffen in ihrer Heimat undenkbar.

Auch für Mohamed Kolak. „Ich hatte vorher nie persönlichen Kontakt zu einem Israeli“, sagt der Jordanier. Das vorherrschende Bild stamme aus den Medien und sei eher negativ. Trotzdem war er gespannt, seine neuen Kommilitonen an der Heine-Uni persönlich kennenzulernen. „Ich war dabei weniger interessiert an ihren politischen Einstellungen“, erinnert er sich beim Wiedersehen der Weggefährten auf Schloss Mickeln. Es gebe viele Gemeinsamkeiten, Mohamed Kolak schmunzelt. „Bei Jordaniern und Israelis ist man wichtiger, wenn man spät auf eine Party kommt. Zumindest denken das viele.“

Jedes Jahr kommen junge Menschen aus Jordanien, Israel und Palästina nach Düsseldorf, um hier gemeinsam zu studieren und zu leben. Möglich ist das durch den Master-Studiengang „European Studies“. Seit 2009 kooperiert die Heine-Uni mit den Partnerunis in Tel Aviv, Jerusalem und Amman. Nach abgeschlossenem Bachelor-Studium und zusätzlichem Vorbereitungsjahr können die Studierenden hier ihren Master antreten.

Einmal im Jahr kommen viele der Ehemaligen zusammen. Ihr Alumni-Treffen ist dieses Jahr erstmals in Düsseldorf. Amir Elizur war unter den Ersten, der 33-Jährige kommt aus Israel. Durch das Studium entwickelten sich Freundschaften. „Wir haben gemeinsam gelebt, manche sind sogar gemeinsam gereist.“

Auch zur Verwunderung von Deutschen. Er erinnert sich: Einmal habe er mit seinen Freunden ein Schloss in der Umgebung besucht. Ein dort arbeitender Mann habe gehört, dass sie verschiedene Sprachen sprechen und gefragt, woher die Gruppe komme. Als Elizur und seine Freunde ihn aufklärten, sei der Mann verwundert gewesen und habe gesagt: „Das widerspricht der Presse!“ Amir schüttelt den Kopf, diesen Satz vergisst er nicht.

Nach der Zeit in Düsseldorf versuchen die Studierenden, die Freundschaften am Leben zu halten, teilweise kommunizieren sie über Facebook. Logistisch sei ein persönliches Treffen manchmal schwierig, sagt Amir Elizur.

Hinter dem Studiengang steht viel Arbeit. Hartwig Hummel und Guido Quetsch leiten den Studiengang, sie sind seit der ersten Stunde dabei. „Eine gute Idee allein reicht nicht“, sagt Quetsch. Er reist jedes Jahr in den Nahen Osten und findet es wichtig, dass man sich mit der Region und Sprache auseinandersetzt. Einer der Initiatoren aus dem Nahen Osten war Avi Primor, der ehemalige israelische Botschafter in Deutschland. „Wir konnten den unterschiedlichen Partnern versichern, dass sie alle gleichwertig behandelt werden“, sagt Quetsch.

Jedes Jahr gebe es neue Herausforderungen. „Jeder Jahrgang ist eine Wundertüte“, erklärt er. Im Studium selbst geht es kaum um Konflikte in den Heimatländern. Studierende lernen politische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte der EU kennen. Kultur und Geschichte sind ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. Dadurch bieten sich danach beruflich viele Chancen: Mohammed Kolak arbeitet heute in der Entwicklungszusammenarbeit für eine deutsche Organisation im Nahen Osten. Er ist sicher: „Das Studium hat mir zu dieser Stelle verholfen.“

„Ich wollte meine Gedanken und mein Erlerntes überprüfen“, sagt Hadeel Mmuzayan. Durch ihr Studium hat sie Zugang zur jüdischen Literatur gefunden, die sie tief beeindruckt. Auch ihre Erfahrungen in Düsseldorf prägen sie. „Mit dem, was ich hier gelernt habe, kann ich heute Geflüchteten helfen.“

Trotzdem wäre es schön, wenn aus den Uni-Kontakten mehr entstehen könnte, findet Amir Elizur. „Manche von uns überlegen, ob wir gemeinsam arbeiten und beispielsweise eine gemeinnützige Organisation gründen könnten.“ Dafür brauche es aber Unterstützung und noch viel Arbeit.

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