Stress: Die Angst vor der Empfehlung

Für Viertklässler naht die Entscheidung für die weiterführende Schule. Das führt zu immer mehr Angst bei Eltern und Unruhe an den Grundschulen.

Düsseldorf. Bei vielen Eltern von Grundschulkindern sind in den vergangenen Wochen die Adrenalinwerte langsam angestiegen. Denn für die Viertklässler geht es jetzt in die heiße Phase: Die Halbjahreszeugnisse, mit denen sie sich an den weiterführenden Schulen vorstellen, stehen in einigen Wochen an. Alles andere als eine Gymnasial-Empfehlung gilt in vielen Häusern als Katastrophe.

Svenja Kruse vom Stadtelternrat registriert eine zunehmende Angst bei den Eltern. Sie hat von Fällen gehört, wo versucht wurde, Kinder zu einer bestimmten Klassenlehrerin zu bekommen: "Die hatte angeblich eine hohe Quote von Empfehlungen fürs Gymnasium."

Fragt man an Düsseldorfer Grundschulen nach, lautet der Befund: Die Anspannung hat in jüngeren Jahren zugenommen. Eltern spüren einen zunehmenden Druck, den sie an die Kinder weitergeben - und an die Lehrer.

Sieglinde von Beckerath ist Schulleiterin an der Franz-Vaahsen-Grundschule und Sprecherin der Grundschulen im Norden. Sie hat festgestellt - und von Kollegen gehört, dass die Empfehlungen für die weiterführende Schule zunehmend von den Eltern angezweifelt werden: "Die Lehrer müssen das aushalten. Aber die Kinder tun mir leid, denn sie spüren das auch."

Die Landesregierung sucht zurzeit eine Mehrheit, um in Sachen Empfehlung den Elternwillen wieder zu stärken (siehe Kasten). Laut Sieglinde von Beckerath werden aber schon die Noten von Klassenarbeiten angezweifelt.

Dazu komme, dass immer mehr Eltern ihr Kind aufs Gymnasium schicken wollten, was aus deren Sicht durchaus verständlich sei. Viele fragten sich heute, ob ihre Kinder später ohne Abitur Chancen auf einen guten Job hätten.

Doch nicht alle Eltern würden dabei ihre Kinder richtig einschätzen: "Da sind welche dabei, für die das Gymnasium nicht die beste Schulform ist." Auch dass viele Gymnasien inzwischen Bewerber ablehnten, mache die Eltern nervös.

Auch ihre Kollegin Ulrike Schadewaldt von der Gerhard-Tersteegen-Grundschule sieht den Trend zum Gymnasium. Sie glaubt, eine Empfehlung für die Haupt- oder die Realschule werde deshalb so ungern akzeptiert, weil die Durchlässigkeit zwischen den Schulformen oder die Chance auf einen späteren Wechsel zum Gymnasium durch G8 schwieriger geworden sei.

Die Entscheidung für das Abitur werde dadurch viel zu früh getroffen. "Den Eltern würde viel von dem Druck genommen, wenn ihre Kinder stattdessen länger gemeinsam lernen dürften."

Die Schulleiterinnen haben zudem beobachtet, dass heute Grundschüler schon zur Nachhilfe geschickt würden. Das bestätigt Bernd Kilian, Bereichsleiter West des Studienkreises Nachhilfe: "In den vergangenen fünf Jahren hat der Anteil an Grundschülern um rund 50 Prozent zugenommen."

Das seien vor allem Viertklässler. Die Eltern wollten zum einen, dass sie in Deutsch und Mathe besser werden. Immer häufiger wünschten sie sich aber auch die Schulung grundsätzlicher Fähigkeiten wie Konzentration oder selbstständiges Arbeiten.

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