Stadt-Teilchen : Das Leben ist so einfach, wenn man sich nicht entscheiden muss
Düsseldorf Die Suche nach der richtigen Marmelade ist extrem anstrengend. Besser, man geht nicht in den Supermarkt.
Ich war fix und fertig. Ich war Opfer. Und Schuld trug meine Frau. Die hatte gesagt, ich solle doch mal aus unserem Lieblingssupermarkt in Bilk eine neue Marmelade mitbringen, eine, die wir zuvor noch nie auf unserem Frühstückstisch hatten, die aber auf jeden Fall ein bisschen exotisch schmecken sollte, und wenn sie gesund wäre, käme das auch gut.
Ich tat wie mir geheißen und betrat bester Laune unseren geliebten Konsumtempel und steuerte auf die Region zu, in der ich die Marmeladen vermutete. Ich malte mir vorab aus, wie ich einen flotten Blick auf die Auswahl werfen und dann mit routiniertem Jägergriff ein, zwei Gläser als Beute in meinen Einkaufswagen verfrachten würde. Ich ahnte nicht, wie ahnungslos ich war. Vor dem Regal angekommen verschlug es mir den Atem. Wie oft war ich hier schon vorbeigeeilt und hatte aus den Augenwinkeln registriert, dass hier Konfitüre und Co. ihr Dasein in der Auslage fristen. Niemals allerdings hatte ich meinen Blick fokussiert, niemals war ich gewahr geworden, was hier wirklich geboten wird.
Ich stand plötzlich vor einer Wand aus Marmelade. Ich erblickte nicht zehn verschiedene Sorten, nicht 50, nicht 100. Ich versuchte, die verschiedenen Sorten zu quantifizieren. Bei 200 angekommen, musste ich zugeben, dass ich ein paar Fächer übersehen und mich ganz offensichtlich verzählt hatte. Ich war augenblicklich sehr müde und wollte sofort aufgeben. Über 200 Marmeladensorten, wer soll da noch durchblicken? Was ist das für eine Welt?
Ich entdeckte Sorten, von denen ich vorher nicht einmal zu träumen gewagt hatte. „Beschwipste Aprikose“ stand neben „Physalis“ und „Weinbergpfirsich“. Die „Badische Schwarzkirsche“ und „Ingwer“ buhlten ebenso um meine Aufmerksamkeit wie „Himbeere sanft“ und „Rhapsodie de Fruit – Airelles & Myrtilles“. Natürlich gab es auch Gläser, auf denen einfach nur „Erdbeere“ oder „Kirsche“ stand, aber eben auch solche, die per Aufschrift „Glück“ verhießen.
Glück ist gut, dachte ich. Aber als ich dann die Gläser in meinen Wagen packen wollte, kamen mir doch Zweifel. Schließlich gab es das Glück mit Mango oder mit Blutorangen oder mit Rhabarber. Welches Glück war mir zugedacht? Was, wenn ich das falsche Glück wähle und meiner Liebsten eine nicht erwünschte Sorte präsentiere? Ich war komplett überfordert.