Stadt-Teilchen : Tagtägliches Müllschauspiel beeindruckt junge Düsseldorfer
Düsseldorf Max weiß, was er mal werden will. Zwar ist Max gerade erst vier Jahre alt geworden, aber sein Berufswunsch steht seit ein paar Minuten sehr deutlich in seine hellen Kinderaugen geschrieben. Die sind weit aufgerissen an diesem frühen und kalten Morgen, an dem gerade das trübe Tageslicht den Kampf gegen die Finsternis der Nacht zu gewinnen scheint.
Eigentlich hat es Mama eilig. Max muss in die Kita, aber im Moment ist Max nicht zu bewegen. Er steht betonfest auf einer Stelle und schaut sich seine Zukunft an. Fasziniert beobachtet er, was seine Helden gerade machen, wie sie das Pflaster in eine Bühne verwandeln und ein Stück aufführen, das handelt von großer Kraft, von behänder Beweglichkeit, von der Omnipotenz derer, die eine Straße zu beherrschen wissen. So will Max auch werden, einer von den starken Männer der Awista.
In Max’ Augen spiegeln sich die blinkenden Lichter des riesigen Müllfahrzeugs, das sich wie ein fauchender Drache durch die sonst so beschauliche Seitenstraße in Friedrichstadt schiebt, sich breit macht und mit dem Getöse seiner Gerätschaften sehr deutlich klar werden lässt, dass hier gerade kein Vorbeikommen ist. Hier regiert der Drache und mit ihm der Lärm, hier wird dem Müll eine Abfuhr erteilt. Aber das große Auto interessiert Max nur am Rande. Ihn fesseln vielmehr die Männer in Orange, die so wirken, als machten sie, was sie wollen. Natürlich machen sie nicht, was sie wollen.
Sie tun, was sie müssen. Aber sie lassen es an diesem trüben Morgen so aussehen, als sei das, was sie da gerade absolvieren ein einziger Spaß, der coolste Job der Welt, die große Show, aufgeführt allein für den kleinen Max. Der schaut zu, wie die Männer mit ihren Haken die großen Eisenplatten im Bürgersteig anheben, wie sich so ein riesiger Schlund auftut, ein Abgrund. So einen Haken will Max später auch haben, einen Universalschlüssel, der ihm die Türen öffnet zur Unterwelt, wann immer er will. Und so ein dickes Tau, wie es manche der Männer um den Leib gewickelt tragen, das braucht er auch.
Max schaut konzentriert zu, wie sie das Tau vom Körper abstreifen und mit einem Ende tief ins eben geöffnete Loch versenken. Er sieht, wie sich das dicke Seil strafft, wie sich die Muskeln der Superhelden in Orange anspannen, wie auf einmal am Rand des Loches eine graue Tonne erscheint. Noch eine. Und noch eine. Dann folgt das, was Max am meisten beeindruckt.
Der Awista-Mann senkt den Stahldeckel ab, bis er mit dem Bürgersteig einen 45-Grad-Winkel bildet, und dann lässt er ihn los. Das knallt. Oder besser beschrieben: DAS KNALLT! Laut, so richtig laut. So laut, dass sich manche der vorbeieilenden Erwachsenen die Ohren zuhalten und über den Lärm klagen. Muss das so laut sein? Ja, das muss so laut sein, findet Max, dem man den Spaß an diesem Spektakel deutlich ansieht. Das will er auch: Krach machen und dafür bezahlt werden. Das muss ein toller Beruf sein, wo man nicht nur laut sein darf, wo man es nachgerade sein muss.