Stadt-teilchen Fremd in der eigenen Stadt

Düsseldorf · Eine Zeitreise am Samstagmorgen.

Bei einem Rundgang durch die Stadt hat unser Autor an der Immermannstraße viele japanische Läden gesehen — für ihn exotisch.

Bei einem Rundgang durch die Stadt hat unser Autor an der Immermannstraße viele japanische Läden gesehen — für ihn exotisch.

Foto: Zanin

Man soll ja viel reisen. Das bildet. Sagt man. Man lernt Gegenden kennen, die man noch nicht kennt und begegnet Menschen, die fremd wirken. Am Ende kommt man gereift zurück und zeichnet sich durch eine gewisse Weltläufigkeit aus, die das routinierte Leben im Alltag leichter erträglich macht, weil man weiß, dass es anderswo auch nicht unbedingt schöner ist. Nur anders.

Aber wohin soll man reisen, wenn man Neues sehen und fremde Menschen erleben will und der Geldbeutel gerade Diät macht? Ich habe da einen Tipp. Ich bin nämlich neulich selbst gereist. Nicht im Raum, wie das alle tun, die sich dann an überfüllten Flughäfen in überfüllte Blechdosen quetschen lassen. Nein, ich bin einfach in der Zeit gereist. Nach Düsseldorf. Düsseldorf, samstags ganz früh.

Ja, richtig, nach Düsseldorf. In die Stadt, die ich seit meiner Geburt kenne wie nichts anderes. Aber das Düsseldorf, das ich kenne, kenne ich meist nur in den mir vertrauten Zeiten. Ich bin werktags viel unterwegs am frühen Morgen, wenn die Stadt erwacht, wenn die Menschen zur Arbeit streben und ich zwischen ihnen hindurch flaniere.

Was ich bislang kaum kannte, ist der frühe Morgen an einem durchschnittlich trüben Samstag. Wenn man da mal etwas früher als gewohnt aufsteht und sich, sagen wir mal gegen acht Uhr, auf die Socken macht, kann man plötzlich eine ganz neue Stadt erleben. Da schlendere ich durch stille Straßen, in denen alles zu schlummern scheint. Nur wenige Menschen kommen mir entgegen. Hundehalter und Brötchenholer meist. Beide zu erkennen an den Tüten in ihrer Hand. Sonst ist da niemand.

Ich komme mir auf einmal ein bisschen fremd vor in der eigenen Stadt. Die Häuser sehen anders aus als in jenen Stunden, in denen ich sonst hektisch an ihnen vorbeieile. Auf einmal entdecke ich Verzierungen an den Bauten, staune über eigenartige Fensterformen und kunstvoll gestaltete Haustüren. Ich habe Zeit und auf einmal einen neuen Blick, genau den Blick, den sonst nur Touristen haben.

Wie oft bin ich ganz früh am Samstagmorgen durch Paris oder London gelaufen und habe den Hauch der Stadt eingeatmet. Aber niemals war ich so früh so bewusst in Düsseldorf unterwegs. Düsseldorf, du fremde Stadt. So vertraut und doch so fremd. Immer wieder was zu entdecken. Immer wieder neu.

Ich überlege kurz, ob ich mir selbst eine Ansichtskarte schreiben soll. Eine aus der samstäglichen Frühzeit. So eine richtig kitschige vielleicht, mit ungelenken Worten auf der Rückseite. Ich habe das noch nicht verlernt, das Schreiben aus der Fremde. Ich stelle mir vor, wie ich mich in der folgenden Woche über Post aus dem Urlaub freuen würde. Post aus Düsseldorf.

Auf einmal ergreift mich die Urlaubslaune. Ich beschließe, zu verlängern, die Zeit zu dehnen und den Raum auch, einen ganzen Tag in der heimatlichen Fremde zu verbringen. Ich setze mich in die Bahn und fahre nach Gerresheim, eine Fernreise nach ganz weit draußen. Für einen Ur-Bilker quasi Terra incognita. Ich staune, wie schön es in Gerresheim doch ist. Das hatte ich so noch nicht wahrgenommen. Manchmal hilft es eben, Tourist in der eigenen Stadt zu sein.

Dann fahre ich auf die Immermannstraße und streife im Viertel durch die Asialäden. Was es da alles gibt? Ich staune, ich sehe auf die Menschen, die ich so noch nie wahrgenommen habe. Viele sprechen in mir unverständlicher Sprache, und ich finde das alles auf besondere Art und Weise exotisch.

Später treibt es mich in die Altstadt. Weihnachtsmarkt besuchen, Adventsromantik und so’n Kram. Was man auf Reisen halt so tut. Auf einmal bin ich in Holland. Ich schwöre, ich höre eine halbe Stunde lang kein Wort Deutsch. Nur wunderbar putziges Niederländisch. Jemand sagt etwas wie „Dat finden de Kinderen so lekker“, und ich glaube zu verstehen. Ich freue mich, fühle mich wie in Amsterdam. Reisen kann so billig sein. Ein Tagesticket für die Rheinbahn, und schon kann man wilde Welten durchstreifen, kann den Globus in sich aufsaugen.

Reisen in Zeit und Straßenbahn sind das nächste große Ding. Ich schwöre. Und ich bin enthusiastisch wie nie. Demnächst werde ich den Kontakt zu echten Eingeborenen suchen. Ich werde eine dieser Altbierkaschemmen in meinem Stadtteil besuchen. Wie oft habe ich da schon durch die Tür gelinst und mich gefragt, wie das wohl ist da drin. Nie habe ich mich reingetraut. Aber demnächst geht es los. Die nächste große Tour mit Hoff-Reisen. Steigen Sie ein, fahren Sie mit. Die Welt liegt so nah.

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