Stadt-teilchen Eine der ältesten Boutiquen Düsseldorfs feiert in der Carlstadt ihr 50-jähriges Bestehen

Ich sitze auf einem Samtsofa und blättere in einem zerfledderten „Stern“ von 1971. Die Schlagzeile auf der Titelseite könnte aktueller nicht sein: „Was wird wirklich besser in Berlin?“ Kann ich mir nicht vorstellen.

Stadt-teilchen: Eine der ältesten Boutiquen Düsseldorfs feiert in der Carlstadt ihr 50-jähriges Bestehen
Foto: Sergej Lepke

Wiederholt sich doch eh alles, nicht nur in der Politik, auch in der Mode. Wie die Sachen vom alten Stern: Miniröcke, Schlaghosen, Lackstiefel mit hohen Hacken, Schlägermützen, falsche Wimpern. Könnte man auch heute noch oder wieder tragen, wenn ich mich von meinem Sofa umsehe in der Boutique Bonnie auf der Hohe Straße in der Carlstadt. Ähnliche Looks wie auf seiner Titelseite hängen auch hier dicht an dicht. Irgendwie zeitlos hier.

Auf gleich 30 Extraseiten Mode im Stern, auf denen auch die tonangebende Boutiquen der 70-er aufgelistet sind, auch die in Düsseldorf. Boutique, das klang damals irgendwie chic französisch, abgeleitet vom provenzalischen botica, was so viel oder wenig heißt wie Bude oder Büdchen. (Wobei ein Büdchen bei uns im Rheinland - ich hab’s nie verstanden - eine Halle sein kann, eine Trinkhalle).

Gleich drei Boutiqen waren damals angesagt in Düsseldorf und im Stern: Isadora in der Mertensgasse mitten in der Altstadt, spezialisiert auf fetzige Ibiza-Mode. Häkel-Bikinis. Die Masche zieht heute wieder: Bloggerinnen hängen im Netz an der Nadel und zeigen wie’s geht. Dann war da noch das K7 im Kö-Center, das für sich schon eine Sensation war. Tausendsassa Stefano Sorice verkaufte dort sündteure Avantgarde-Strampler für Babys und Pelzmäntelchen für Teenager.

Und schließlich Bonnie auf der Oststraße, die damals noch eine richtig schicke Flaniermeile war mit feinen Antiquitäten und Mode-Läden. Unter halbrunden Bonnie-Markisen posiert auf dem stern-Foto eine junge Blondine in Jeans und T-Shirt, die Hände kess auf die Hüften gestützt wie einst Faye Dunaway im Kult-Film „Bonnie & Clyde“: Hella Wolter. Für die Kostüme des Gangster-Pärchens im Hollywood-Streifen gab es damals eine Oscar-Nominierung.

Anders als die Namensgeberin ihrer Boutique, die im Film im Kugelhagel starb, hat die Düsseldorfer Bonnie überlebt. Hella Wolter kann 2018 als wohl älteste Boutique in Düsseldorf ihr 50-jähriges Jubiläum feiern in der Hohe Straße, wohin sie im Jahr 2001 zog, nach 26 Jahren im Trinkaus-Center und einem geplatzten Mietvertrag in der Kö-Galerie. Dorthin in die erste Etage mit Terrasse wäre sie gerne gezogen, denn Kö bedeutet hochkarätige Laufkundschaft.

Schon in die Trinkaus-Galerie kamen immer wieder Kunden aus dem Breidenbacher Hof und den anderen Nobelherbergen. Sie schätzten die Boutique mit den ausgefallenen Modellen der japanischen Avantgardisten, den blumigen Modellen von Kenzo, den schick-schrägen Schnitten von Vivienne Westwood. Da hielt auch Model und Filmstar Brooke Shields inne, und kam rein. Eine arabische Prinzessin nahm gleich 300 Teile mit. Die Tochter von Bert Brecht flog aus Ost-Berlin ein. Sie liebte, wie Hella Wolter, den Stil der französischen Designerin Sonia Rykiel, sammelte deren Sachen. Auch Adenauers Tochter Libeth gehörte in die Galerie der treuen Bonnie-Kundinnen.

Da ist es heute in der Hohe Straße ruhiger. Hier empfängt Hella Wolter nach wie vor ihre Stammkundschaft - in alter Frische, die sie sich mit regelmäßigen Eintauchen in den Pool des Sport-Clubs Holmes Place an der Kö erhält. Ihr Arbeitsplatz ist abgeschirmt von Büschen verblichenen Hortensien, Jahr für Jahr bringen treue Kundinnen neue Blüten mit. Es sind nicht nur Düsseldorferinnen, die noch Wert auf Bedienung legen, bei Bonnie ist’s Betreuung.

Laufkundschaft kommt eher weniger in den schmalen Schlauch mit dem kunterbunt dekorierten Schaufenster, vor das in früheren Jahren Kinder ihre Eltern zerrten, weil sich dort ein Spielzeug-Clown am Trapez überschlug. Dabei wäre der Laden gerade für das internationale Modevölkchen, das sich in den nächsten Tagen wieder in der Mode-Stadt Düsseldorf tummeln wird, eine wahre Fundgrube, eine Art Modemuseum, so was wie eine Oase in einer schnelllebigen Branche, deren Einzelhandel vielerorts gerade die Luft ausgeht.

Wie konnte, wie kann solch eine Mode-Bude in der in Zeiten des Internets überhaupt überleben? Vielleicht, weil Hella Wolter einst bei der Bank gelernt hat, klug zu wirtschaften? Genau genommen schlägt Bonnies Geschäftsmodell sogar Amazon. Wenn die Mode aus dem Paket nicht passt, muss sie zurückgeschickt werden. Bei Bonnie wird sie an Ort und Stelle in Echtzeit passend gemacht, im Hinterzimmer gibt’s dafür eine kleine Schneider-Werkstatt.

Geht schneller als im Netz. Wie lange noch? Hella Wolter beteuert, so lange es ihr noch Spaß macht und sie nicht müde wird, den Leuten zu erklären, dass sie die Stoffe fühle und die Kleider gefälligst anprobieren müssten.

Boutiquen, in denen man wie bei Bonnie noch auf Entdeckungstour gehen kann, gibt es ja heute kaum noch in Düsseldorf. Oder sie werden als Bezeichnung einfach neu aufgebrüht, wie die Nespresso Boutique auf der Kö. Doch da geht’s mir ähnlich wie mit der Mode. So wie ich es stillos finde, ein schönes Teil im Papp-Karton zu bekommen - fehlt mir das Sinnliche, der taktile Reiz - ebenso wenig mag ich es, wenn mein Kaffe in der Kapsel erpresst wird. Da geh ich eher an eine Kaffee-Bude, sprich Trinkhalle, und genieße den Direkt-Ausschank - am liebsten in meiner Modefarbe schwarz.

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